Ein deutschlandweiter E-Government-Pakt?
Monitor Digitale Verwaltung #2: NKR mahnt Staat und Politik, an Geschwindigkeit zuzulegen und ihre Vorhaben konkreter zu fassen
In internationalen Rankings belegt die Bundesrepublik weiterhin hintere Plätze, auch im europäischen Vergleich liegt Deutschland im letzten Drittel. Das „strukturelle Defizit“, das sich in den vergangen Jahren gerade im Public Sektor aufgebaut hat, lässt sich nicht ohne weiteres beseitigen. Allerdings hat das Problembewusstsein laut NKR zugenommen – das zeigen nicht zuletzt die Verabschiedung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) und die daraus nun begonnene Arbeit vor allem in den Digitalisierungslaboren. Der im Koalitionsvertrag vereinbarte ebenenübergreifende Digitalisierungspakt im Sinne einer „vertrauensvollen Zusammenarbeit“ und einer „Verteilung der notwendigen Investitionskosten“ sei zwar vorhanden, bisher aber nicht konkretisiert.
Wenn die komplizierten Fragen in den Fokus rücken…
Vor diesem Hintergrund sieht der NKR die Lage zwar „grundsätzlich besser als jemals zuvor“. Entsprechend hoch seien aber auch die Erwartungen. Zudem stünden große Konfliktfelder erst noch bevor: Etwa wenn die komplizierten Fragen in den Fokus rücken, wie die Ergebnisse der Entwicklungsgemeinschaften konkret umgesetzt und in die Fläche gebracht werden können.
Es bleibt die Frage, wie insbesondere weitere Ergebnisse aus den Digitalisierungslaboren wirklich bis in die Fläche ausgerollt werden sollen.
Für das Verwaltungsverfahren „Wohngeld“ bestehe bereits eine erste Umsetzungsplanung. Auch hat sich laut NKR eine wachsende Zahl an Ländern entschlossen, hier ein gemeinsames System umzusetzen. Absprachen für die Vielzahl der weiteren Verfahren seien hingegen noch nicht erkennbar. Es bleibt die Frage, wie insbesondere weitere Ergebnisse aus den Digitalisierungslaboren wirklich bis in kleine Kommunen und Behörden ausgerollt werden sollen.
Alleingang Bayerns?
Das Gremium sieht insbesondere mit Blick auf Bayern noch „Luft nach oben“. Der Freistaat habe aus „Ressourcenmangel“ keine Federführung eines Themenfeld übernommen, gleichzeitig aber angekündigt, das OZG vorfristig umsetzen zu wollen. Ein Alleingang?
An die grundsätzlichen architektonischen Fragen
Obwohl es wünschenswert sei, neue Lösungen „einfach“ und in eigener Verantwortung zu übernehmen, könne dieser Weg in den meisten Ländern und Kommunen nicht ohne weiteres erfolgen. Das Beispiel Elterngeld (ELFE) zeige, dass bei komplexeren Leistungen Backend-Systeme benötigt würden, „die Daten einsammeln und verteilen sowie Schnittstellen zu Fachverfahren und Unterstützungssystemen managen“. Das Beratungsgremium geht davon aus, dass ähnlich wie in Estland auch hierzulande Serviceplattformen wie „X-Road“ vonnöten sind. „Es scheint ratsam, sich bald auch hierzulande mit solch grundsätzlichen architektonischen Fragen zu beschäftigen.“
FITKO-Stellenaufbau zu schleppend
Der Föderalen IT-Kooperation (FITKO) bescheinigt der NKR eine potenziell sehr wichtige Rolle im Zusammenspiel insbesondere der Länder. Weiterhin werde die OZG-Umsetzung allerdings vom Bundesinnenministerium und externen Dienstleistern forciert. Der Stellenaufbau in der FITKO läuft demnach noch schleppend.
Es erscheint fraglich, ob die begrenzten Ressourcen in den Ländern und Kommunen ausreichen, um die notwendigen Arbeiten in der zur Verfügung stehenden Zeit sachgerecht zu erledigen.
Zusammenarbeit mit der E-Government-Agentur?
Trotz 40 zugesicherter Stellen würden diese Ressourcen kaum ausreichen, um über das „Programm- und Portfoliomanagement“ hinaus auch inhaltlich-konzeptionell und beratend tätig zu werden. „Dies gilt umso mehr, als es fraglich ist, ob die begrenzten Ressourcen in den Ländern und Kommunen ausreichen, um die notwendigen Arbeiten in der zur Verfügung stehenden Zeit sachgerecht zu erledigen.“ Die Anfang 2020 zu gründende „E-Government-Agentur“ beim BMI begrüßt der NKR. Es müsse sich jedoch auch hier erst noch zeigen, wie diese neue Innovationseinheit konkret mit der FITKO zusammenarbeiten könne.
Eine ganze Reihe an bedeutenden Aspekten rund zur künftigen Verknüpfung von Leistungen und Angeboten der verschiedenen Ebenen bleiben ungeklärt.
Bei Nutzerfreundlichkeit konkreter werden
Viele der großen bisher unbeantworteten Fragen liegen offenbar im Bereich von Standardisierung, Architekturmanagement und in der Infrastruktur. So sieht der NKR zwar Fortschritte beim Portalverbund und den Bürgerkonten der Länder. Eine ganze Reihe an bedeutenden Aspekten rund zur künftigen Verknüpfung von Leistungen und Angeboten der verschiedenen Ebenen bleiben ungeklärt. Dabei stellt das Gremium darauf ab, dass heute bei allen Entscheidungen die Nutzfreundlichkeit von Lösungen unbedingt mitzudenken sei – das gilt insbesondere in den Bereichen Verlinkung, elektronische Identifikation und Einheitlichkeit von Konten. Zusammen mit der ebenenübergreifenden Zusammenarbeit ist das vielleicht der spürbarste Unterschied zu früheren Zeiten.
Der NKR verweist auf Dänemark: Das nördliche Nachbarland wendet in seinen Gesetzgebungs-verfahren seit mehreren Jahren einen entsprechenden „Digitalisierungs-tauglichkeits-Check“ an.
Auch Minister sollten Prototypen testen
Um die Vielzahl neu entwickelter nutzerfreundlicher Verfahren überhaupt in die Praxis umsetzen zu können, müssen eine ganze Reihe an Regelungen und Gesetzen angepasst werden. Der „Monitor Digitale Verwaltung“ nennt als explizite Hürden etwa das persönliche Erscheinen, die Unterschrift und das Vorlegen von Papiernachweisen. Bestenfalls müsse der Bürger künftig nichts tun, um z. B. berechtigterweise an Kindergeld zu kommen. Service-Gedanken und „Usability“ müssten bis hinauf zur politischen Leitung ins Bewusstsein rücken: „Jeder Minister sollte verpflichtet sein, selbst einmal die Prototypen digitaler Verwaltungsangebote zu testen, bevor diese freigeschaltet wird.“
OZG-Normenscreening und „Ex-Ante-Check“
Weiterhin soll das sogenannte „Normen-Screening“ in dieser Legislaturperiode nicht mehr breitflächig zur Anwendung kommen, sondern ausschließlich die 575 Verwaltungsverfahren des OZG auf ihre Digitaltauglichkeit durchleuchten. Darüber hinaus müssten künftige Gesetze frühzeitig (ex-ante) auf ihre Digitaltauglichkeit geprüft werden. Das steht nicht nur im Koalitionsvertrag, sondern empfiehlt mittlerweile auch der Digitalrat der Bundesregierung. Der Normenkontrollrat verweist zudem auf Dänemark: Das nördliche Nachbarland wendet in seinen Gesetzgebungsverfahren seit mehreren Jahren einen entsprechenden „Digitalisierungstauglichkeits-Check“ an. Orientierung gebe zudem der E-Government-Prüfleitfaden des NKR selbst und auch der IT-Planungsrat verfolgt ein ähnliches Ziel präventiver Prüfungen.
Gesetzesanpassungen – vier Artikelgesetze pro Jahr
Bei allen aktuell parallel laufenden Aktivitäten erscheint jedoch klar: Um der schieren Menge an Gesetzesanpassungen für alle 14 OZG-Themenfelder gerecht zu werden, sind in den verbleibenden 3,5 Jahren bis Ende 2022 im Schnitt vier Artikelgesetze pro Jahr zu verabschieden. „Dies erfordert eine aktive und beharrliche Steuerung durch das Bundeskanzleramt“, unterstreicht der NKR. Schließlich geht es darum, die teils schon herausgearbeiteten gesetzlichen Anpassungsvorschläge aus den Digitalisierungslaboren und Ressorts zusammenzutragen sowie koordinierend und entschlossen in den Gesetzgebungsprozess einzubringen.