Bundeskanzleramt; IT; Personal; E-Government; Fokus; Parycek; Hauswirth
© Claudio Divizia

Es braucht IT-Leute, vom Landkreis bis zur Bundesregierung

E-Government-Nutzung stagniert: „Noch weitaus größere Schalter umlegen“ / Digital-Dokumente als Originale anerkennen

Der jüngst veröffentlichte „Deutschland-Index der Digitalisierung“ von Fraunhofer FOKUS zeigt, dass es beim kommunalen E-Government in den letzten zwei Jahren kaum Fortschritte gab. Trotz vorhandener E-Government-Gesetze, stagniert die Zahl durchschnittlich genutzten digitalisierter Verwaltungsleistungen auf niedrigem Niveau. Die Stadtstaaten liegen bundesweit zwar vorn, im internationalen Vergleich können aber auch sie nicht mithalten. Es braucht noch größeren Anstrengungen, vor allem rechts- und personalpolitischer Art.

Der „Digital-Index“ wird alle zwei Jahre erhoben und nimmt u. a. die Nutzung und das Angebot digitaler Leistungen von 300 unterschiedlichen Kommunen in Betracht. Im Schnitt  wurden hier 0,9  der  fünf  untersuchten Verwaltungsleistungen  vollständig digital angeboten. Das sind rund 19 Prozent und damit drei Prozentpunkte mehr  als  bei  der  letzten  Erhebung.

Hamburg und Berlin bundesweit vorne…

Im Vergleich der Bundesländer haben sich die Stadtstaaten, vor allem Hamburg und dann Berlin in einigen Bereichen vorne abgesetzt. Dahinter folgen Nordrhein-Westfalen und Bremen sowie Brandenburg, Sachsen und Bayern. Die Platzierung Hamburgs ist maßgeblich an die hohe Zahl von Online-Verwaltungsleistungen geknüpft. Auch bei der Verbindlichkeit der Angebote, dem Einsatz von E-Government-Basiskomponenten und der Offenheit der Kommunalverwaltung erzielt die Hansestadt Spitzenwerte.

Selbst bei den bundesweiten Spitzenreitern werden E-Government-Angebote nur zu etwa 20 Prozent genutzt.

Die östrreichische Hauptstadt Wien liegt bei Angebot und Nutzung von E-Government weit vor deutschen Städten.
© Alex Poison/Shutterstock.com

In den Flächenstaaten sind es aber nicht nur die großen Städte, die bei der Verwaltungsdigitalisierung vorn mitmischen. Auch kleine und mittelgroße Städte wie Löhne und Meerbusch in Nordrhein-Westfalen, Annaberg-Buchholz und Meißen in Sachsen, Perleberg und Kloster Lehnin in Brandenburg oder Rednitzhembach in Bayern erreichen laut Studie überdurchschnittliche Werte. Digitalisierung sei also nicht ausschließlich an Größe und Struktur von Kommunen festzumachen.

Zwöf Bundesländer haben ein E-Government-Gesetz verabschiedet.
© Screenshot/www.oeffentliche-it.de/Digitalisierungsindex

… international aber hintan

Aber selbst in den beiden Stadtstaaten werden E-Government-Angebote insgesamt nur zu etwa 20 Prozent genutzt. „Wenn Sie nach Wien oder Barcelona schauen, liegen Sie dort bei fast 50 Prozent“, erklärte Prof. Peter Parycek, Leiter des Kompetenzzentrums Öffentliche IT (ÖFIT) am Fraunhofer-Institut FOKUS in Berlin. Im internationalen Ranking trübe sich das deutsche Bild noch weiter ein. „Ich glaube, es liegt tatsächlich an der Liebe zu Papier und Schriftform“, bemerkte Parycek pointiert. Dieser Umstand sei auch im Vergleich zu seinem Heimatland Österreich hierzulande noch einmal stärker ausgeprägt.

Mit Artikelgesetzen vorankommen

Viel Hoffnung beruht nun auf der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG). In dessen Folge seien Artikelgesetze geplant, um Hindernisse auf dem Weg zur digitalen Verwaltung abzubauen, sagte Parycek. Einen wesentlichen Grund sieht der E-Government-Experte in den rechtlichen Rahmenbedingungen. Ob sie wollten oder nicht, Kommunen können sich über gewisse (Schriftform-)Erfordernisse einfach nicht hinwegsetzen. Demnach geht es weniger um die Fähigkeit und den Willen, Maßnahmen umzusetzen, sondern um den eingeschränkten Spielraum vor Ort.

Die Idee: Das „Digitale“ in der Verwaltung zur primären authentischen Form erheben.

Digitale Form als Primärquelle

Diese Annahme stützten auch einige Ergebnisse der Untersuchung: Im Erhebungszeitraum sind die Angebots- und Nutzungszahlen gerade jener Leistungen gestiegen, die den „nicht-klassischen“ Verwaltungsleistungen angehören. Die Rede ist etwa von „Melde-Apps“, die Städte und Gemeinden „freiwillig“ und rechtlich relativ uneingeschränkt zur Verfügung stellen, damit Bürger Schäden oder Verschmutzungen in ihrer Umgebung anzeigen können. 

Landauf, landab gesucht, in Behörden aber schwierig zu bekommen: Digitalisierungsexperten_innen.
© Peshkova/Shutterstock.com

Um wirklich weitreichende Fortschritte bei der Staatsdigitalisierung zu erzielen, sei zu überlegen, so Parycek, noch weitaus größere Schalter umzulegen. Die Idee: Das „Digitale“ in der Verwaltung zur primären authentischen Form erheben und den Status der Papierform im Gegenzug nur noch als Kopie anerkennen.

Wenige Leute wirklich „vom Fach“

Prof. Dr. Manfred Hauswirth legte den Fokus auf eine andere Großbaustelle der öffentlichen Hand: die personelle Situation. „Was Sie in der Verwaltung brauchen, sind Experten“, sagte der Geschäftsführende Leiter von Fraunhofer FOKUS. „Und wenn ich mir anschaue, wo es in Landkreisen, in Landesregierungen und auch in der Bundesregierung Informatiker und Digitalisierungsexperten gibt, sind das sehr, sehr wenig.“ Die öffentliche Hand sei weiterhin kein kompetitiver und interessanter Arbeitgeber.

»

„Genauso wie Sie für die Auslegung von Gesetzen Juristen brauchen, brauchen Sie für dir Umsetzung der Digitalisierung Informatiker und am besten auch Technik-Soziologen.“

«

Gutes Personal „kritisch-notwendig“

Im Austausch mit Vertretern aus dem Public Sector nehme er wahr, dass Gesprächspartner sich Fachwissen vielfach selbst beigebracht haben oder gerade an Schulungen teilnehmen. Das sei keinesfalls zu kritisieren, so Hauswirth, insgesamt müssten sich Staat und Kommune aber anders aufstellen: „Genauso wie Sie für die Auslegung von Gesetzen Juristen brauchen, brauchen Sie für dir Umsetzung der Digitalisierung Informatiker und am besten auch Technik-Soziologen.“ Denn digitale Leistungen des Staates müssen nicht nur erdacht und programmiert, sondern auch gegenüber den Bürgern vermittelt und beworben werden. Für diese „kritisch-notwendige“ Aufgabe würden allerdings mit Blick auf Tarife und Lohnniveau nicht die notwendigen Mittel bereitgestellt. Wie soll der Staat so qualifiziertes Personal bekommen, wenn es schon die Wirtschaft nicht schafft? Hauswirth:  „Ich glaube man muss auf allen Ebenen massiv daran arbeiten, dass Fachleute angeworben werden.“