Wiesbaden

OZG in kommunaler Zuständigkeit

So erarbeitet das Standesamt Wiesbaden digitalisierte Verwaltungsleistungen

Mit dem Inkrafttreten des Onlinezugangsgesetzes im Sommer 2017 haben sich Bund und Länder verpflichtet, sämtliche Verwaltungsleistungen bis 2022 digital anzubieten und die verschiedenen Verwaltungsportale in einem Portalverbund zu verknüpfen. Ausgewählte Bundesressorts und Länder erarbeiten die jeweiligen Leistungen nach Themenfeldern. In einigen Bereichen wurde diese Aufgabe auch an eine oder mehrere Kommunen übertragen. Für das Feld „Familie & Kind“ ist neben Delmenhorst das Standesamt in Wiesbaden zuständig. Erfahren Sie wie die hessische Behörde arbeitet, mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), Saarland und Bremen kooperiert und die Qualität der Leistungen sicherstellt.

Das Standesamt Wiesbaden bearbeitet das Thema „Familie & Kind“ und ist damit eine von fünf Kommunalverwaltungen, die explizit angesprochen wurde, um ein OZG-Feld zu bearbeiten. Die Behörde bietet seit 2015 auf ihren Bürgerservice-Portal die Möglichkeit, Zeugnisse und Schriftstücke online zu beantragen: „Bislang sind darüber 21.000 Urkunden bestellt worden“, so Monika Rubbel, Projektleiterin für das onlineRathaus Wiesbaden. Seitjeher bemühe sich das hessische Standesamt, seine Leistungen stärker am Bürger zu orientieren und schlanke, digitale Prozesse zu etablieren.

Austausch mit Bremen

Als einzige deutsche Kommune bietet die hessische Landeshauptstadt die „vorgeburtliche Anmeldung“ an: „Eltern können bereits sechs Wochen vor dem Geburtstermin den „Behördengang“ zum Standesamt erledigen“, erklärt Rubbel.

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Das war Ausgangspunkt für weitere Überlegungen zur Digitalisierung von Register-Informationen von Neugeborenen und deren Übermittlung an Kinder- und Elterngeldstellen sowie Krankenversicherungen. „Die beteiligten Stellen bearbeiten die Informationen sowieso digital weiter. Aufwendig erstellte Urkunden mit Wasserzeichen und Siegel werden einfach geschreddert“, beklagt Rubbel.

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Die beteiligten Stellen bearbeiten die Informationen sowieso digital weiter. Aufwendig erstellte Urkunden mit Wasserzeichen und Siegel werden einfach geschreddert.

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Die Behörde arbeitete an einer eigenen Lösung bis sie auf dem Zukunftskongress Staat & Verwaltung im Juni 2018 in Berlin Kenntnis vom Bremer ELFE-Projekt nahm. Der Austausch auf der Veranstaltung führte auch dazu, dass die Freie Hansestadt Bremen im August 2018 auf die Kommune zuging und eine Kooperation im Themenfeld „Familie & Kind“  initialisierten.

Entwicklung in kontinuierlicher Abstimmung mit dem Endverbraucher

Zu Anfang der Zusammenarbeit hatte jeder Partner Verwaltungsleistungen zusammengetragen, analysiert und beschrieben. So ergab sich ein Themenfeld mit insgesamt 37 Verwaltungsleistungen aus Lebenslagen wie Ehe, Geburt, Kinderbetreuung oder Scheidung. Wiesbaden bearbeitet die Geburtsanmeldung, Eheanmeldung und -beurkundung, Ehefähigkeitszeugnis, Namensänderung, Vaterschaft- und Mutterschaftsanerkennung.  Für zehn der insgesamt 37 Leistungen entwickeln die zuständigen Behörden detaillierte Digitalisierungskonzepte, für zwei sogar Prototypen.

Die Entwicklung der Verwaltungsleistungen erfolgt über die Arbeitsmethoden der Digitalisierungslabore.

OZG-Digitalisierungslabor: Das Projekt ELFE in Bremen
Digitalisierungslabore; Kooperation; Zusammenarbeit

OZG-Digitalisierungslabor: Das Projekt ELFE in Bremen

Mit interdisziplinären Teams Verwaltungsdienstleistungen virtualisieren

 „In einer circa viermonatigen Workshop-Serie werden zunächst Bürgerinnen und Bürger zu ihren Erfahrungen und Schwierigkeiten mit aktuellen Anträgen interviewt“, erklärt Rubbel. In Kooperation mit Fachverfahrensherstellern, IT-Beratern und Web-Designern entwickelt das Standesamt Wiesbaden dann  neue, digitale Antragsverfahren, welche anschließend in Nutzertests geprüft und optimiert werden.

Nutzerfreundlichkeit versus Sicherheit

Als Beispiel zeigt die Projektleiterin den Antrag zur Vaterschaftsanerkennung. Ein Kind, das außerhalb einer Ehe auf die Welt kommt, muss explizit unter Zustimmung der Mutter durch einen Antrag des Vaters anerkannt werden, wenn keine gerichtliche Feststellung erfolgt. Der Antrag kann neben dem Standesamt auch beim Jugendamt, Notar oder bei einer deutschen Auslandsvertretung erfolgen. 

Antrag auf Vaterschaftsanerkennung
© Landeshauptstadt Wiesbaden

Vorerst wird die Leistung konzeptionell erarbeitet: Welche Schritte muss der Bürger durchlaufen? Welche Technologien braucht es hier?  Im Fall der Vaterschaftsanerkennung muss der Nutzer den obigen Antrag beispielsweise in Form eines Online-Formulars ausfüllen. Mit dem geplanten Bürgerkonto könnte ein Teil der Daten direkt über das Once-Only Prinzip in das Formular voreingetragen werden, um den Vorgang zu beschleunigen und zu vereinfachen.

Schematische Darstellung einer Online-Antragstellung
© Landeshauptstadt Wiesbaden

Für Antragsstellungen im Bereich des Personenstandes ist außerdem die Problematik der Identifizierung im Online-Verfahren zu lösen. Hier könnten verschiedene Modelle greifen: Banken nutzen beispielsweise die Möglichkeit in einem kurzen Video-Chat das Gesicht des Kunden mit dem Personalausweis abzugleichen, der in die Kamera zu halten ist. Eine weitere Möglichkeit wäre der Datenabgleich über ein Telefonat mit einem Verwaltungsmitarbeiter, dem ein bestimmter Code mitgeteilt werden muss -eine Methode die Mobilfunkanbieter sowie Banken verwenden. Das Standesamt muss Identifizierungsmethoden wie diese prüfen und möglichst sicher und einfach ausgestalten. Ein Mitarbeiteranruf würde die Antragstellung an Arbeitszeiten binden und so den Service einer dauerhaften Erreichbarkeit einschränken. Des Weiteren geht es um sensible Daten, die mit entsprechender Sicherheitsstufe zu behandeln sind.

Regelmäßiges Abstimmen mit Ländern und Bundesressorts

Alle sechs Wochen stimmt das Standesamt Wiesbaden seine Ergebnisse in einem Meeting in Berlin ab. Diese Treffen werden durch regelmäßige Telefonkonferenzen ergänzt. Mit jedem Zusammenkommen erhält das Wiesbadener Amt eine Hausaufgabe. Das  Beratungshaus init betreut die beteiligten Behörden  des Themenfelds, unterstützt die Konferenzen und konzipiert aktuell einen Qualitätsstandard für die Verwaltungsleistungen.

Die größten Herausforderungen seien die uneinheitlichen Schnittstellen, Fachverfahren und Zuständigkeiten: „Im Themenfeld finden sich Leistungen des Bundes  (z.B Kinderzuschlag), der Länder (z.B. Zuwendung bei Mehrlingsgeburten) und der Kommunen( z.B. Unterhaltsvorschuss), ebenso wie verschiedenste Behördentypen  wie Familienkassen, Elterngeldstellen, Standes- und Jungendämter.“ Entsprechend unterschiedlich fallen auch die verwendeten Fachverfahren aus, so Rubbel.

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Eine Lösung dafür, die im Themenfeld diskutiert wird, ist die Entwicklung eines Datenstandards für Familienleistungen, mit dem die Hersteller von Fachverfahren ihre Systeme zu Empfängern dieser Daten machen können.

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Die Themenfeld-Gruppe präsentiert seine Ergebnisse  im Mai 2019 dem Bundesinnenministerium, das diese im Anschluss allen Akteuren zugänglich macht.