Stadt Ulm; Quartier; Smart City; Digitalisierung; E-Government; Geschäftsstelle Digitale Agenda; Sabine Meigel; Ute Besch

So einfach wie möglich, so komplex wie nötig

Kein Masterplan: Ulm digitalisiert bottom-up

Geschäftsstelle, Steuerungskreise, viel regionales Engagement: Die Stadt Ulm ist dabei, sich digital neu auszurichten. Das Credo heißt ganzheitliche Stadtentwicklung an Orten, durch Initiativen und mit den Menschen. Verschiedene Einzelmaßnahmen und -angebote sollen dazu führen, dass Bürger und Unternehmen technologische Möglichkeiten und neue Medien in der Donau-Stadt gewinnbringender nutzen.

„Wir konzentrieren uns nicht auf einen einzelnen Großkonzern in der Digitalisierungsstrategie, sondern bauen von unten zusammen mit vielen Akteuren etwas auf“, erklärt Sabine Meigel, seit Anfang Februar Leiterin der „Geschäftsstelle Digitale Agenda“. Besonders Oberbürgermeister Gunter Czisch hatte die Aktivitäten rund um das Programm „Ulm 2.0“ vorangetrieben und in den vergangenen Jahren eine Struktur mit der Geschäftsstelle in der Stadtverwaltung verankert. Darauf baut auch Meigels Arbeit nun auf.

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Digitalisierung wird als Teil der Stadtentwicklungs-prozesse begriffen.

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Sabine Meigel ist seit Februar Leiterin der Geschäftsstelle Digitale Agenda in Ulm. Die 51-Jährige löste Christian Geiger ab, der im Herbst 2017 als CDO nach St. Gallen in die Schweiz wechselte.
© Stadt Ulm

Bis auf die Quartiersebene gehen

 „Unsere Erfahrungen aus den vergangenen Monaten haben gezeigt“, erklärt die studierte Geo-Informatikerin, „dass die Erarbeitung eines großen Masterplans für den Ulmer Weg nicht zielführend sein wird.“ Stattdessen sollen gezielte Projekte vorangetrieben werden, die die jeweilige Situation vor Ort verbessern. Aktuell entwirft die Stadt verschiedenen Leitlinien, die als Grundlage für die Bearbeitung von Projektfragen dienen sollen. „Digitalisierung wird als Teil der Stadtentwicklungsprozesse begriffen“, so Meigel, „die auf Basis eines Bottom-up-Ansatzes den für das jeweilige Quartier passenden Entwicklungsmöglichkeiten gerecht werden sollen.“

Geschäftsstelle             Digitale Agenda

Die Geschäftsstelle im Bereich des Oberbürgermeisters ist einerseits Schnittstelle für die digitale Stadtentwicklung, um externe Akteure aus verschiedenen Branchen besser in diesen Prozess einzubinden. Auf der anderen Seite geht es darum, Lenkungs- und Arbeitsebene miteinander zu verknüpfen.

Im Vergleich zu anderen Ansätzen, gehören in Ulm zwar auch Begriffe wie Smart City, Glasfaserausbau, und Standortpolitik ins Repertoire, im Kern möchte die Stadt mit ihrem Ansatz aber möglichst die gesamte Bandbreite an Akteuren aus Gesellschaft, Verwaltung sowie Wirtschaft und Wissenschaft mitnehmen. Von Bedeutung ist hierbei etwa die „Initiative.ulm.digtal“. In dem Verein haben sich verschiedene Unternehmen und Forschungseinrichtungen zusammengetan, um Stadt und Region zu einer digitalen Modellstadt zu entwickeln.

Lenkungs- und Arbeitsebene miteinander verknüpfen

Meigel unterstreicht auch die Bedeutung junger und älterer aktiver Bürger für den Prozess: „Nähe und Teilhabe der Bürgerschaft ist elementarer Bestandteil für eine breite Akzeptanz – von der Anpassung städtischer Infrastruktur über E-Government-Projekte bis zu Maßnahmen des Verbraucherschutzes.“ Koordinative Herzkammer für diese vielfältige Aufgabenstellung ist die Geschäftsstelle Digitale Agenda. „Die Geschäftsstelle im Bereich des Oberbürgermeisters ist einerseits Schnittstelle für die digitale Stadtentwicklung, um externe Akteure aus verschiedenen Branchen besser in diesen Prozess einzubinden. Auf der anderen Seite geht es darum, Lenkungs- und Arbeitsebene miteinander zu verknüpfen.“

Die Stadt Ulm will ihre Bürger bei der Digitalisierung mitnehmen.
© Screenshot/www.zukunftsstadt-ulm.de, 12.03.2018, 16:00 Uhr

Unterstützt wird ihr Büro zusätzlich durch zwei Steuerungskreise, der IT-AG und dem Innovationsausschuss. Die IT-AG ist eine informelle Arbeitsgruppe des Gemeinderats, dem neben den Vertretern der Fraktionen und ihrer selbst auch der Erste Bürgermeister und die städtische IT-Abteilung angehören. „Die Arbeitsgruppe bietet die Möglichkeit, dass in diesem Rahmen auch sehr komplexe Themenfelder und Zusammenhänge mit dem Gemeinderat vorgesprochen und abgestimmt werden können“, erklärt die 51-Jährige.

Der Innovationsausschuss ist ein beratender Ausschuss und schließt darüber hinaus sechs externe Fachleute mit ein. In diesem Gremium sollen künftig Zukunftsthemen „vorbesprochen“ werden. Meigel: „Die Digitalisierungsstrategie wird hier eine besondere Rolle spielen.“ Die konstituierende Sitzung steht kurz bevor.

IT-Abteilung mit Dienstleistungscharakter

Im Vergleich zur heutigen Ausrichtung hatte Ulm bis 2011 eine zentrale IT- und E-Government-Strategie. Ziel des damaligen „Masterplans“ war es, den Begriff und ein gemeinsames Verständnis für E-Government in der Gesamtverwaltung hervorzubringen und entsprechende Aktivitäten auszulösen, erklärt Ute Besch. „Über mehrere Jahre haben wir jährlich fünf neue Online-Services eingerichtet“, so die Leiterin der IT-Abteilung. Hinzu kam alle drei Jahre ein E-Government-Bericht: „Das war aber mit unseren personellen Kapazitäten irgendwann nicht mehr zu leisten.“ Diese Phase ist vorbei.

Lernen und lehren wie Digitalisierung, Social Media, IoT und Co. funktionieren: Teilnehmer eines Workshops im Ulmer "Verschwörhaus".

Mittelfristige Orientierungsplanung über zwei bis drei Jahre

Heute ist die Abteilungsleiterin nicht nur zuständig für die städtische IT-Infrastruktur mit rund 240 Fachverfahren, sondern agiert in vielerlei Hinsicht als Dienstleisterin – auch für das neue digitale Stadtentwicklungsprogramm. „Die strategische Ausrichtung des E-Governments muss sich an den hieraus entstehenden Anforderungen orientieren.“ Das gilt kurz- wie langfristig.

Als grobes Planungsinstrument arbeiten Besch und ihr Team deshalb mit einer zwei- bis dreijährigen „mittelfristigen Orientierungsplanung“. „Unsere IT-Strategie für die Stadtverwaltung muss aber immer wieder neu entstehenden Anforderungen gerecht werden.“ Eine jährliche Arbeitsplanung soll die strategische und operative Seite zusammenbringen. Das ist umso wichtiger, um die Stadtentwicklung mit ihren vielen digitalen Facetten voranzubringen. Dafür steht ein Beschluss des Stadtrates aus, der im Laufe des Jahres beschlossen werden und die Planungsabläufe ihrer Abteilung auf politischer Seite regeln soll, so Besch.

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Viele potenziell zweckdienliche Reformen liegen nicht in unserer Hand, weil wir sie an IT-Verbünde abgegeben oder durch Standardisierung soweit optimiert haben, dass eine Digitalisierung zumindest derzeit wirtschaftlich nicht darstellbar ist.

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Ute Besch, IT-Leiterin, Stadt Ulm

"Inneres" und "Auswärtiges"

Während die Aufgaben der IT-Abteilung sich tendenziell um „Inneres“ drehen, handelt es sich bei denjenigen der Geschäftsstelle Digitale Agenda eher um „Auswärtiges“, um im Politik-Jargon zu bleiben. Als Querschnittsthema sei das Tätigkeitsfeld aber immer weniger abschließend abzugrenzen, sondern umfasse unter der gängigen Prämisse „Strukturieren, Standardisieren, Digitalisieren,“ nahezu sämtliche Sektoren, erklärt Besch und betont gleichermaßen: „Für den kommunalen Bereich ist es trotzdem wichtig, dass wir die Sinnhaftigkeit von Maßnahmen im E-Government im Auge behalten. Viele potenziell zweckdienliche Reformen liegen nicht in unserer Hand, weil wir sie an IT-Verbünde abgegeben oder durch Standardisierung soweit optimiert haben, dass eine Digitalisierung zumindest derzeit wirtschaftlich nicht darstellbar ist.“ Oder es geht um bürokratische Regelungen etwa im Verwaltungsverfahrensgesetz, die aber auf Landesebene geändert werden müssten. "Anders sieht es bei den internen Prozessen aus, hier gebe es mit Blick auf die Digitalisierung "Luft nach oben", erklärt die IT-Fachfrau.