„Wir sind keine Juristen und auch keine IT-Ingenieure“, erklärt Karin Engelhardt. Die Leiterin der Coburger „Stabsstelle E-Government“ koordiniert mit zwei Mitarbeitern die digitale Entwicklung – vor und hinter der Rathaustür. Dahinter berichtet sie an Oberbürgermeister Norbert Tessmer und tauscht sich in der AG E-Government mit den Leitern von IT-, Organisations-, Rechtsamt, Datenschutzbeauftragter und Vertretern der Ämter aus. Infolge politischer Maßnahmen in Bund, Ländern und auf EU-Ebene stehen regelmäßig auf der Agenda: die EU-Dienstleistungsrichtlinie, EU- Datenschutzgrundverordnung, die vielfältige bayerische E-Government-Strategie (Montgelas 3.0) oder neue IT-Sicherheitsrichtlinien.
Regelmäßig auf der Agenda: die EU-Dienst-leistungsrichtlinie, die EU- Datenschutzgrund-verordnung, die bayerische E-Government-Strategie (Montgelas 3.0) sowie neue IT-Sicherheitsrichtlinien.
Als Vermittlerin muss Engelhardt in ihrem Job mehrere „Sprachen“ beherrschen, zumindest aber übersetzen können: Einerseits zwischen den Ämtern und andererseits zwischen Ämtern und Stadtrat. Und dann sind da noch Stadtgesellschaft, Wirtschaft und Stakeholder.
Nicht immer gleich den größten Schritt gehen
„Die Zielgruppe mit ins Boot holen“ hört sich einfach an, sei aber unbedingt notwendig und oft alles andere als leicht. Aus ihrer langen Erfahrung weiß die Stabsstellenleiterin, dass man dabei nicht immer alles umsetzen kann, was technisch schon möglich erscheint. So zum Beispiel bei der Verteilung der Kita-Plätze. „Schon vor vielen Jahren hätten wir hier eine Online-Börse für unsere kommunalen Einrichtungen umsetzen können. Aber was bringt das, wenn in den Kitas keine Ressourcen und Infrastruktur zu Betreuung eines solchen Service vorhanden ist?“ Nach vielen Gesprächen hatte sich die Stadt damals für einen relativ kleinen Modernisierungsschritt entschieden. „Diese Variante hatte letztlich nur informativen Charakter und verwies weiterhin auf den analogen Anmeldeprozess.“ Mittlerweile sei man viel weiter; über das Portal können längst Online-Voranmeldungen vorgenommen werden und die Resonanz ist gut.
Über Mode und New Economy zur E-Gov-Stabsstelle
Engelhardt ist Quereinsteigerin. Sie kommt eigentlich aus dem Theater- und Modebereich, ist dann Ende der neunziger Jahre in die New Economy und Internet-Branche eingestiegen, hat sich mit Mediendesign befasst und eine Zertifizierung zur Projektmanagerin durchlaufen. „Ich habe vieles gemacht und gesehen, bin aber keine klassische Verwaltungsfrau.“ Auch heute nicht. Ihre Funktion als Stabsstellenleiterin E-Government in der oberfränkischen Stadt begriff sie von Beginn als kreative Management-Aufgabe.
Stellen Sie sich das so vor, als müssten Sie den Geschäfte-inhabern Online-Shops verkaufen. Darunter sind auch ältere Einzelhändler, die gar keine Email-Adresse besitzen.
Neben der strategisch-digitalen Ausrichtung beinhaltet ihre Arbeit den direkten Kontakt mit den Menschen. Bei Projekten wie Konzepten gehe es immer wieder darum, den Einzelnen mitzunehmen. Gerade im demografischen Wandel: „Von jung bis alt müssen wir unsere Bürger dort abholen, wo sie mit ihren digitalen Fähigkeiten stehen.“ Das zeigt sich auch mit Blick auf die „Digitale Einkaufsstadt“ – ein Projekt, das den Einzelhandel in der Mittelstadt bewahren soll.
Bei der Einrichtung einer Email-Adresse beginnen
„Stellen Sie sich das so vor, als müssten Sie den Geschäfteinhabern Online-Shops verkaufen“, erklärt die Digital-Managerin. „Darunter sind auch ältere Einzelhändler, die gar keine E-Mail-Adresse besitzen.“ Um Begriffe wie z. B. E-Commerce zu erklären, arbeitet die Stadt mit Einrichtungen und Fachstellen zusammen: Ehrenamtliche, die sich immer wieder auch von der menschlichen Seite darum bemühen, dass Projekte vor Ort erfolgreich verlaufen, Kurse betreuen und auf Veranstaltungen mitwirken. Um mit lokalen Angeboten im Netz sichtbarer zu werden, hat es Coburg geschafft, ein zentrales Einkaufsportal aufzubauen – GoCoburg.de.
Alle früheren Konzepte zusammenbringen
Aktuell arbeitet die Stadt an ihrer Digitalen Agenda. Das Projekt „Transfom Local“ soll dabei unterstützen: Mithilfe des Instituts für Innovation und Technik (iit) aus Berlin wurden zunächst alle Dokumente, Konzepte und Strategien analysiert, die in der Vergangenheit für die Stadt Coburg erarbeitet wurden. Das sei aber nur der erste Schritt des dreistufigen Verfahrens, erklärt Sandra Rohner vom iit. „Als zweiten Schritt haben wir zehn kommunale Schlüsselakteure aus den Bereichen Bildung und Wissenschaft, Gesundheit und Pflege sowie Tourismus, Infrastruktur und Mobilität ausgewählt und diese zur künftigen Digitalisierung Coburgs interviewt.“ Dabei seien gerade solche Akteure zu Wort gekommen, die sonst nicht unbedingt zuallererst gefragt würden, so Rohner (siehe auch Info-Kasten). Als letzter Schritt soll demnächst ein Workshop stattfinden, in dem ein etwa 60-köpfiger Expertinnen- und Expertenkreis aus dem städtischen Umfeld erneut Input liefern wird. Darunter Vertreter des Schulamts, aus Mehrgenerationenhäusern und dem Integrationswesen. Ziel ist es vor allem, Handlungsfelder zu identifizieren, die künftig mit gebündelten Kräften angegangen werden müssen.
Experten-Interviews für eine Digitalagenda
Welche Institutionen wurden in Coburg befragt?
- Stadtjungendring
- AWO Mehr Generationen Haus Coburg
- Sportverband Coburg 1921
- Stadtbauamts Coburg
- Coburger Gymnasium, Schulleitung
- Hochschule Coburg, Lehrerschaft
- Stadt Coburg GmbH und Stadtentwicklungsgesellschaft Coburg mbH
- Regiomed Klinikum Coburg
- Stadtwerke Coburg
- Landkreis Coburg
Während in der Vergangenheit schon viel für die Digitalisierung der regionalen Wirtschaft getan wurde, könnte künftig der Bildungsbereich stärker ins Zentrum rücken. Als Kommune ist Coburg zwar nicht für das Lehrpersonal, aber für Infrastruktur- und Sachmittel der Schulen zuständig. Eine Aufgabe, die bundesweit viel zu wenig Beachtung findet, wie Studien regelmäßig zeigen. In den verschiedenen Bildungsbereichen fehlt es flächendeckend an Laptops, Lizenzen, Lehrpersonal – und an Geld.
Ziele klären, Ressourcen auf Fördermittel konzentrieren
Zwar existieren unterschiedlichste öffentliche Programme, um aber überhaupt an Fördermittel gelangen zu können, haben kleine und Mittelstädte oft nicht nur zu wenig Eigenmittel, sondern auch nicht ausreichend personelle Kapazitäten, die sich um die formellen Ansprüche kümmern. Auch in Coburg sind diese Stellen begrenzt. Mit Blick auf die vielen Vorhaben, die aus dem schwarz-roten Koalitionsvertrag für Bildung und Digitalisierung hervorgehen, ist es umso wichtiger, dass aus der „Digitalen Agenda Coburg“ hervorgeht, mit welchem Ziel sich die Stadt auf welche Programme konzentrieren kann. Vor dieser Aufgabe stehen viele andere Kommunen genauso.