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Ist die Aussage "Dümmste Außenministerin der Welt!" straflose Polemik - oder strafbares Unrecht?

Und vor allem: Kommt es sogar zu einer Beweisaufnahme?

Im politischen Meinungskampf ist "fair play" eher selten. Oft wird nicht die berühmte "feine Klinge" geschwungen, eher Keule und Morgenstern. Da wird geholzt, als gäbe es kein Morgen mehr. Auf einen groben Klotz gehört halt ein grober Keil, so die landläufige Rechtfertigung für eine eher rustikale Form der Argumentation.

Auch derartige Formen der Auseinandersetzung werden grundsätzlich vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt, sofern nicht Straftatbestände wie Beleidigung, üble Nachrede und/oder Verleumdung einschlägig sind. Gerade das Bundesverfassungsgericht urteilt im Zweifel "pro Meinungsfreiheit", was allerdings Instanzgerichte nicht selten anders beurteilen. 

Der Fall: Im Frühjahr 2024 arbeitete sich ein 58-jähriger Mann aus Ludwigstadt im Kreis Kronach (Oberfranken) via Internet-Posts an einer ganzen Reihe von Politikerinnen und Politikern ab, rhetorisch eher derb als geschliffen.

Besonders angetan hatte es ihm wohl unsere Außenministerin Annalena Baerbock, die er so wörtlich als "dümmste Außenministerin der Welt" titulierte. Selbige fand das gar nicht witzig und erstattete prompt Strafanzeige plus Strafantrag und jetzt wird es interessant gemäß § 188 StGB.  

Diese Vorschrift sorgt für einen ganz besonderen Ehrenschutz für "Personen des öffentlichen Lebens" vor Beleidigung, Übler Nachrede und Verleumdung.  Konkret geht es um Personen des "politischen Lebens", zu denen eine Bundesministerin ganz zweifellos zählt. Allerdings muss die Tat geeignet sein, das "öffentliche Wirken erheblich zu erschweren", das heißt: seine/ihre Glaubwürdigkeit und/oder Lauterkeit müsste durch die Tat beeinträchtigt worden sein oder ihre (außenpolitischen) Einflussmöglichkeiten müssten "nachhaltig geschmälert" werden. 

Diese Teile des objektiven Tatbestandes sah die zuständige Staatsanwaltschaft in zutreffender Würdigung der Sach- und Rechtslage als wohl nicht gegeben an und teilte dies auch Frau Baerbock mit. 

Jedenfalls einer persönlichen Mitarbeiterin der Außenministerin, die sich brav bedankte und darauf hinwies, dass Frau Bundesministerin "wegen aller in Betracht kommenden Delikte Strafantrag" gestellt habe.  Soll heißen: Okay, wenn nicht § 188 StGB, dann zumindest § 185 StGB (Beleidigung). Hauptsache, der Absender kommt vor Gericht und wird bestraft, warum auch immer. 

Klugerweise hat das Auswärtige Amt (AA) nicht ausdrücklich die §§ 186, 187 StGB erwähnt, denn hier geht es auch um das Merkmal "Tatsachen". Genauer gesagt um die Frage, ob es sich bei dem beanstandeten Satz "dümmste Außenministerin der Welt" um eine (falsche) Tatsachenbehauptung handelt. Vielleicht ist sie ja gar nicht dumm oder gibt es noch dümmere? Eine Beweisaufnahme hierüber wäre zweifellos eine juristische und politische Delikatesse - nach Lage der Dinge wird es eine solche aber niemals geben. 

Bleibt zunächst die Frage: Polemische Äußerung, die sich noch im Rahmen des politischen Meinungskampfes bewegt und daher von Artikel 5 des Grundgesetzes (Art. 5 GG) gedeckt ist, oder strafbares und auch strafwürdiges Unrecht? Darüber muss jetzt die Justiz befinden. 

Abschließend wäre aber auch zu fragen, ob es wirklich klug war in diesem Fall einen Strafantrag zu stellen, denn wie geht es weiter, wenn der Fall gemäß § 170 II StGB eingestellt wird? Ist dann amtlich dokumentiert, dass Frau Baerbock tatsächlich die dümmste Außenministerin der Welt ist? Nein, natürlich nicht, es stünde allenfalls fest, dass aus diesem Vorwurf keine strafrechtlichen Konsequenzen folgen. 

Aber ob das in der Hitze des politischen Meinungskampfes so differenziert wahrgenommen wird? Zweifel sind angebracht, siehe oben. 

 

 

Der Autor, Wolfgang Bosbach, ist Kongresspräsident des Berliner Kongresses für wehrhafte Demokratie. Von 1994 bis 2017 war er Mitglied des Deutschen Bundestages und dort unter anderem von 2000 bis 2009 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion für den Bereich Innen- und Rechtspolitik und von 2009 bis 2015 Vorsitzender des parlamentarischen Innenausschusses.

Der 7. Berliner Kongress Wehrhafte Demokratie - Gesellschaftlicher Dialog für Innere Sicherheit, Verteidigungsfähigkeit und Zusammenhalt findet vom 16. bis 17. Juni 2025 im Hotel de Rome in Berlin statt.