Leichtes Spiel mit KI?
Welche Potenziale und Herausforderungen sich für den öffentlichen Einkauf ergeben
Die eingangs genannten Faktoren überfordern zunehmend den öffentlichen Einkauf und drängen auf Veränderungen. In der sich ständig weiterentwickelnden Welt der Beschaffung und des öffentlichen Einkaufs spielen Innovationen eine entscheidende Rolle, um Effektivität, Genauigkeit und Transparenz sicherzustellen. Eine vielversprechende Herangehensweise besteht darin, anfallende Aufgaben zu (teil-)automatisieren, um verfügbare Ressourcen wirksamer einzusetzen. Künstliche Intelligenz (KI) bietet bislang nie da gewesene Möglichkeiten hierfür. Die Einsatzmöglichkeiten von KI sind gewaltig und kaum quantifizierbar. Der oder die geneigte Leser*in, stellt sich die Frage: Wo sind die größten Potenziale?
Auf der 24. Beschaffungskonferenz 2023 haben wir Expert*innen vor Ort befragt. Wo sehen die über 100 anwesenden Beschaffenden die größten Potentiale von KI in Ihren Beschaffungsprozessen?
Die Umfrage zeigt ein heterogenes Bild, was auf die aktuell mangelhafte, digitale Unterstützung in der Beschaffung zurückzuführen sein könnte.
Drei Anwendungsfelder der KI
Unter Berücksichtigung des technologischen Aspekts und Diskursen mit den Befragten, lassen sich die Antworten in konkrete KI-Anwendungsfälle zusammenfassen. Folgend sind vier KI-Anwendungsfälle aufgelistet, die eine konkretere Einordnung erlauben:
- Textgenerierung (Kriterienkataloge, Leistungsbeschreibung)
- Textauswertung (Prüfung & Wertung von Anträgen/Angeboten)
- Kommunikation (Bedarfsermittlung, Bieterkommunikation)
Die Generierung von Text durch KI hat mit ChatGPT einen Höhenflug erlebt. Sowohl bei Kriterienkatalogen als auch bei Leistungsbeschreibungen müssen Texte erstellt werden, die hohen Ansprüchen genügen. Neben der Berücksichtigung des Vergaberechts sind extensive Kenntnisse im Komplex des Anforderungsmanagements erforderlich. Im Kern müssen die Anforderungen der Fachseite optimal definiert und dokumentiert werden. Interpretationsspielräume lassen sich mit großen Sprachmodellen (engl. Large Language Models) identifizieren, dialogisch aufzeigen und ausräumen. Erforderlich für diesen Anwendungsfall ist das Vorhandensein eines großen Sprachmodells, welches spezifisch für die Erstellung eines Dokumententypen (beispielsweise Leistungsbeschreibung) optimiert wurde.
Die Auswertung von Texten ist an diversen Stellen eines Beschaffungsprozesses erforderlich. Im Besonderen die Wertung von Angeboten ist sehr aufwendig. Ein umfassendes Angebot kann mit sämtlichen Anlagen, Beschreibungstexten und Antworten auf Fachaufgaben rasch unzählige Seiten umfassen. Die Auswertung von Angeboten ist zuweilen ein aufwendiges und – trotz vier Augen Prinzip – fehlerträchtiges Unterfangen.
Insbesondere in Hinblick auf die Auswertung von Standardanlagen ließen sich auch ohne KI Aufwände reduzieren. Durch die Analyse der Ausschreibungsunterlagen durch ein großes Sprachmodell ließen sich Angebotstexte und in conclusio ein gesamtes Angebot bewerten. Große Sprachmodelle verfügen bereits über Logik und könnten Bewertungen bereits argumentativ unterfüttern.
Die Kommunikation in einem Beschaffungsprozess ist essenzieller Baustein jeder Vergabe. Es existieren mannigfaltige Kommunikationsschnittstellen zwischen den an einer Vergabe beteiligten Akteuren. Zum einen ist die Kommunikation zwischen Vergabestellen und Bewerbenden sowie Bietenden und zum anderen zwischen Vergabestelle und Fachseite zu nennen. Jede Kommunikation – egal ob gesprochen oder schriftlich – ist fehleranfällig, mindestens jedoch interpretationswürdig.
Die Kommunikation zwischen Vergabestelle und Bewerbenden sowie Bietenden ist rein schriftlich und stark formalisiert. Kein Wunder, denn sämtliche Antworten der Vergabestelle auf Bewerber- und Bieterfragen werden Vertragsbestandteil. Genauigkeit ist oberste Maxime. Idealerweise sind Antworten der Vergabestelle so kurz wie möglich und verweisen auf einschlägige Textpassagen publizierter Dokumente.
Das gilt es beim Einsatz von KI zu beachten
Im gegenwärtigen öffentlichen Dialog werden verschiedene Aspekte der Integration von Künstlicher Intelligenz in Beschaffungsprozessen beleuchtet.
Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Datenverfügbarkeit und -nutzung für das Training von KI-Systemen. Im Beschaffungskontext sind tatsächlich öffentlich zugängliche Datenquellen wie Tender Electronic Daily (TED) und Dokumente von den Vergabemarktplätzen für das Training von KI-Systemen verfügbar. Berücksichtigung muss hierbei lediglich die Aktualität und die Speicherung der notwendigen Daten finden.
In der Beschaffungs-Community herrscht Einigkeit darüber, dass KI aktuell als unterstützendes Werkzeug dienen sollte, das die menschlichen Entscheidungstragenden ergänzt, jedoch nicht ersetzt. Begründet ist dies zum einen durch die geringe Fehlertoleranz in Beschaffungsvorgängen und zum anderen durch die aktuell noch existierende Problematik der Halluzinationen von KI-Systemen.
Abschließend gilt es zu betonen, dass es von entscheidender Bedeutung ist, sicherzustellen, dass KI-Systeme sämtliche geltenden Vorschriften und Gesetze einhalten, insbesondere in Bezug auf Datenschutz und Transparenz.
Ein Blick in die Zukunft
Unsere Umfrage und die einschlägigen Gespräche auf der Beschaffungskonferenz 2023 verdeutlichen, dass KI im Beschaffungsprozess ein erhebliches Potenzial bietet. Sie kann die Effizienz steigern, menschliche Fehler minimieren und fundiertere, datenbasiertere Entscheidungen ermöglichen. Allerdings ist sicherzustellen, dass KI als Unterstützung und nicht als Ersatz für menschliche Entscheidungen eingesetzt wird. Transparenz, rechtliche Aspekte, Datenschutz- und Haftungsregeln spielen eine entscheidende Rolle, um die Möglichkeiten von KI in der Beschaffung voll auszuschöpfen. Die Integration von KI erfordert eine sorgfältige Planung und verantwortungsvollen Einsatz, um die Zukunftsvision einer KI-gestützten, effizienten und transparenten Beschaffungswelt Wirklichkeit werden zu lassen.