Der War for Talents: Wie Talent Rocket juristische Talente vernetzt
Moderne Recruiting-Plattform statt alter Leitzordner
Verwaltung der Zukunft: Können Sie sich und ihre Firma Talent Rocket der Leserschaft vorstellen?
Magdalena Oehl: Parallel zu meinem Jura- und Kommunikationswissenschaftsstudium habe ich zunächst in einer Technologiekanzlei für Medienrecht gearbeitet und dort eine Promotion angestrebt. Ich stellte damals jedoch fest, wie schwierig es war, sich einen Überblick über die verschiedenen Kanzleien, deren Spezialisierungen und die gebotenen Karrierechancen zu verschaffen. Damals in Passau, während eines Besuchs im Career Center, fand ich lediglich Leitzordner mit gedruckten Informationen über Kanzleien vor. Diese Erfahrung führte bei meiner Mitgründerin Yacine Coco und mir zur Idee, den Rekrutierungsprozess für juristische Arbeitgeber zu digitalisieren. So entstand Talent Rocket.
Talent Rocket nutzt ein intelligentes Recruiting-Tool, das mehr als 100.000 Talente dabei unterstützt, den passenden Arbeitgeber zu finden. Wir modernisieren den Recruiting-Markt und bieten bereits vor der Bewerbung umfassende Informationen über Arbeitgeber, wie Gehalt und Karrieremöglichkeiten. Bewerbungen sind mit nur einem Klick möglich, und Talente können sich anonym in unserer Datenbank registrieren lassen, um von potenziellen Arbeitgebern kontaktiert zu werden. Heute verzeichnen wir über 75.000 registrierte Nutzer:innen, mehr als 400 aktive Arbeitgeber, und wachsen jährlich um etwa 25 %.
Zusätzlich engagiere ich mich seit 2020 als Vorsitzende des Startup-Verbands, um Startups in politischen Belangen zu vertreten und Rahmenbedingungen zu verbessern. 2020 wurde ich als 'European Woman of Legal Tech' ausgezeichnet und 2023 unter die 'Top 40 unter 40' des Magazins 'Capital' gewählt.
VdZ: Sie präsentieren auf dem Digital Justice Summit einen Best-Practice-Dialog mit dem Titel " Das Rennen um die Fachkräfte – wie kann die Justiz gegen den freien Markt bestehen?". Worum geht es dabei?
Oehl: Der juristische Arbeitsmarkt in Deutschland steht zunehmend unter Druck, vor allem durch den steigenden Fachkräftemangel und die härter werdende Konkurrenz um qualifizierte Nachwuchsjurist*innen. Während der freie Markt mit flexiblen Arbeitsbedingungen und attraktiven Gehältern lockt, muss die Justiz ihr Angebot modernisieren und ihr Profil als Arbeitgeber schärfen. Unser Best-Practice-Beitrag beleuchtet die aktuellen Entwicklungen, vergleicht die Stärken der Justiz und der juristischen Privatwirtschaft und zeigt Strategien auf, mit denen die Justiz im Wettbewerb um Talente punkten kann. Vorbeischauen lohnt sich!
Der Kerngedanke ist geblieben: 'Karriere einfach machen.'
VdZ: Was war die ursprüngliche Motivation hinter der Gründung, und wie hat sich Ihre Mission im Laufe der Jahre entwickelt?
Oehl: Unsere Plattform und unser Angebot haben sich kontinuierlich weiterentwickelt, doch der Kerngedanke ist geblieben: 'Karriere einfach machen.' Angesichts des heutigen Arbeitsmarktes, in dem qualifizierte Talente oft die Wahl haben, wo sie arbeiten möchten, und daher passiver in ihrer Jobsuche sind, bieten wir Arbeitgebern die Möglichkeit, diese Talente aktiv anzusprechen. So begegnen wir den veränderten Anforderungen des Arbeitsmarkts und holen die Zielgruppe gezielt dort ab, wo sie steht.
VdZ: Wie schätzen Sie die aktuelle Situation in Bezug auf den Fachkräftemangel in der Justiz ein? Gibt es bestimmte Bereiche, die besonders betroffen sind?
Oehl: Die Lage im juristischen Arbeitsmarkt ist jetzt schon angespannt, aber wir haben die Spitze des Eisbergs noch nicht erreicht: Bis 2030 scheiden rund 40 Prozent der Jurist*innen im öffentlichen Dienst aus, darunter über 10.000 Richter*innen und Staatsanwälte. Zugleich nimmt die Zahl der in Deutschland ausgebildeten Volljurist*innen seit 2000 stetig ab. Laut dem Bundesamt für Justiz gab es 2002 noch über 10.000 erfolgreich geprüfte Kandidaten, während es 2022 nur noch etwa 8.400 waren – ein Rückgang von knapp 20 Prozent bei gleichbleibenden Studienanfängerzahlen.
Für die Justiz bedeutet dies, dass sie als Arbeitgeber attraktiver werden muss, um sich gegen Kanzleien und Rechtsabteilungen zu behaupten. Es wird wichtig sein, die Vorteile und Besonderheiten der Justiz stärker herauszustellen und aktiv zu kommunizieren, um sich im veränderten Arbeitsmarktumfeld als attraktive Option zu positionieren. Die Justiz muss sich von der früheren Situation lösen, in der Bewerbungen automatisch eingingen, und offensiv zeigen, warum sie eine erstklassige Wahl für Talente ist.
VdZ: Inwiefern haben sich die Anforderungen an Talente im juristischen Sektor aus Ihrer Sicht verändert? Welche Fähigkeiten und Qualifikationen sind heute besonders gefragt, die vor einigen Jahren vielleicht weniger im Fokus standen?
Oehl: Die fortschreitende Digitalisierung, neue Legal Tech-Trends und die rasante Entwicklung der künstlichen Intelligenz werden das juristische Berufsfeld nachhaltig verändern. Dies bedeutet, dass insbesondere der juristische Nachwuchs sich mit diesen Themen vertraut machen und aktiv an deren Gestaltung teilnehmen muss. Neben juristischem Fachwissen gewinnen Soft Skills und interdisziplinäre Fähigkeiten weiter an Bedeutung. Kommunikation, Anpassungsfähigkeit und Empathie sind gefragter denn je, da heutige Talente neben harten Fakten wie Gehalt und Urlaub auch auf wertschätzende Faktoren und persönliche Entwicklungsmöglichkeiten achten.
Ein umfassenderes Verständnis wirtschaftlicher Zusammenhänge, Projektmanagement und Change Management zählen ebenso zu den gefragten Kompetenzen. Zudem wird die Bedeutung von Diversity und Inklusion immer wichtiger, denn die Fähigkeit, in diversen Teams zu arbeiten und sich in inklusiven Kulturen wohlzufühlen, ist essenziell. Schließlich sollte mehr Augenmerk auf Problemlösungskompetenz gelegt werden – unabhängig davon, ob man in der Justiz oder in einer Kanzlei tätig ist, steht die Lösung der Probleme des Gegenübers stets im Mittelpunkt. Hier sollte auch verstärkt proaktiv geschult werden.
VdZ: Welche Trends und Entwicklungen sehen Sie aktuell im juristischen Arbeitsmarkt, und wie wirken sich diese auf die Attraktivität der Justiz als Arbeitgeber aus?
Oehl: Der juristische Arbeitsmarkt steht weiterhin vor der großen Herausforderung des Fachkräftemangels. Der Wettbewerb um qualifizierte Nachwuchsjuristen wird zunehmend intensiver – der sogenannte 'War for Talents' ist spürbar. Dennoch bieten sich für die Justiz echte Chancen, sich mit einer geschickten Strategie als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Gerade im Hinblick auf Work-Life-Balance und Sinnhaftigkeit im Beruf erfüllt die Justiz viele aktuelle Anforderungen der Nachwuchstalente, nutzt dieses Potenzial jedoch noch nicht vollständig aus.
Authentisches Employer Branding ist ein entscheidender Hebel für Arbeitgeber – nach dem Motto 'Tue Gutes und rede darüber'.
VdZ: Welche Maßnahmen sehen Sie als besonders effektiv, um qualifizierte Fachkräfte für die Justiz zu gewinnen? Gibt es innovative Recruiting-Strategien, die bisher erfolgreich waren?
Oehl: Authentisches Employer Branding ist ein entscheidender Hebel für Arbeitgeber – nach dem Motto 'Tue Gutes und rede darüber'. Wichtig ist, den potenziellen Talenten nichts zu versprechen, was später nicht erfüllt werden kann, da Authentizität entscheidend ist, um langfristige Arbeitsbeziehungen zu fördern. Arbeitgeber sollten sich zudem fragen, was sie tun können, um sich attraktiver zu positionieren und ihre Stärken klar zu kommunizieren, vor allem in der Justiz, um sich im Wettbewerb um Talente zu behaupten.
Dabei spielt Employer Branding eine Schlüsselrolle, insbesondere da der Trend zu mehr Passivität bei Bewerbern geht; qualifizierte Talente sind es heute gewohnt, umworben zu werden. Talent Rocket bietet daher einen Service, der Arbeitgebern ermöglicht, proaktiv auf Talente zuzugehen und diese direkt anzusprechen. Wer hier überzeugend auftritt, hat vielleicht schon das perfekte Talent gefunden!
📅 Magdalena Oehl auf dem 3. Digital Justice Summit
25. November 15:45 - 16:30: Best-Practice-Dialog I.A3
Das Rennen um die Fachkräfte – wie kann die Justiz gegen den freien Markt bestehen?
3. Digital Justice Summit - Deutschlands Justiz gemeinsam moderner machen!
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25.–26. November
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Kongresscenter im Hotel de Rome
Das Digital Justice Summit begleitet den Transformationsprozess aller Institutionen und Akteure im Umfeld der Judikative einschließlich europäischer Entwicklungen. Der Kongress vernetzt also ebenenübergreifend Entscheidungsträger/innen und alle beteiligten Akteure/innen im Umfeld der Justiz bzw. des Justizwesens: die Gerichte der verschiedenen Gerichtsbarkeiten, die Staatsanwaltschaften, den Justizvollzug, die sozialen Dienste der Strafrechtspflege, die Justizverwaltung, das Notariat sowie die Rechtsberatung. Ebenso die Digitalwirtschaft, die Legal Tech-Szene, die Versicherungswirtschaft, Wissenschaft und Forschung sowie die Zivilgesellschaft. Die Veranstaltung schafft eine Plattform für einen gesamtgesellschaftlichen Dialog, um gemeinsam die volle Bandbreite der Themen der Modernisierung und Digitalisierung des Justizsektors zu diskutieren und neue Lösungsansätze zu entwickeln.