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Wie die Digitalisierung einen Beitrag zu mehr Bürgerbeteiligung leisten kann

Eine digitale Plattform für Bürgerbeteiligung

Der Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung unterstreicht die Bedeutung einer modernen Bürgerbeteiligung. Um die Digitalisierung in diesem Bereich voranzubringen, unterstützt Sopra Steria die Bundesverwaltung mit seiner Expertise in Fragen der IT-Systemarchitektur und der technischen Evaluation möglicher Produkte.
Autor

Gunther Hoeschen ist Senior Manager bei Sopra Steria. Er ist seit 1998 bei Sopra Steria im Bereich Public Services tätig. Der gelernte Diplom-Wirtschaftsingenieur (TU) ist Experte für Enterprise Architecture, IT-Strategie, Anforderungsmanagement und Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen.

Künstliche Intelligenz hält in nahezu alle Lebensbereiche Einzug. Damit ist auch die Frage der politischen Meinungs- und Willensbildung neuen Rahmenbedingungen ausgesetzt. Das Wissen, das Bürgerinnen und Bürger heutzutage in politische Entscheidungsfindungsprozesse überführen, stammt vielfach aus Kanälen, deren Steuerung aufeinander reagierenden Algorithmen obliegt. Diese Algorithmen filtern Inhalte entlang abstrahierter Nutzungspräferenzen und bereiten sie für die Nutzerinnen und Nutzer „intelligent“ auf. 

Das Internet als ein Instrument politischer Meinungs- und Willensbildung

Infolge dieser Entwicklungen hat sich das Internet als eine Ressource und Bühne sowie als ein Instrument politischer Meinungs- und Willensbildung etabliert. Dabei ist das, was wir politisches Handeln nennen, in den unsichtbaren, multidimensionalen Netzen zu verorten – also in Räumen, die Handlungsfelder sowohl öffnen als auch schließen können und sich aus den Zwischenräumen einer unauflöslichen Verbundenheit hochentwickelter Mensch-Maschine-Konstellationen speisen. Das Internet hat sich damit zum zentralen Modus, aber auch Medium politischer Partizipation entwickelt. 

Bislang wurden Räume zur politischen Partizipation im Internet von amerikanischen Tech-Giganten oder wenigen kleinen NGOs gehostet. Nun will der deutsche Staat in einer Weise von dieser Ressource Gebrauch machen, die den gesamten Prozess des Politischen, seine Wahrnehmbarkeit und Reaktionsfähigkeit revolutionieren kann. Eine digitale Bürgerbeteiligungsplattform bietet enormes Potenzial für die fortlaufende Demokratisierung der politischen Entscheidungsfindungsprozesse. So verschmelzen Technik, Mensch und Diskurs zu dem, was wir Zivilgesellschaft nennen, indem sie ihre Repräsentation in den Eingaben, Ergebnissen und Analysen einer Plattform digitaler Bürgerbeteiligung finden.

Welche Anforderungen stellen Bürgerinnen und Bürger heute und morgen an eine Plattform für die digitale Bürgerbeteiligung? Wie sehen konkrete, nachhaltige Mehrwerte für die unterschiedlichen Zielgruppen einer solchen Plattform aus? Welche Einsatzszenarien sind auf der Ebene der Bundesverwaltung zu gestalten?

Eine digitale Plattform, die dem Thema Bürgerbeteiligung gewidmet ist, hat vier wesentliche Aufgaben: 

1. Sie soll umfassend über Beteiligungsthemen informieren.

2. Sie soll die Kommunikation über verschiedene Kanäle ermöglichen. 

3. Über sie sollen sich Ideen, Anregungen, Meinungen und Stimmungsbilder einholen lassen. 

4. Die Plattform soll es ermöglichen, an zentralen Dokumenten direkt gemeinsam zu arbeiten. 

Autor

Robert Schwarze studierte Politikwissenschaften an der FU Berlin (M.A.) und ist seit 2020 im Bereich Public Services tätig. Er ist Experte für KI-gestütztes Regieren, Anforderungsmanagement, Fördermittel und Finanzierung.

Eine offene Gesprächskultur

Damit sich Menschen angesprochen fühlen und ihre Ideen in das Verfahren zielgerichtet einbringen, muss eine möglichst umfassende Information zu einem Beteiligungsthema erfolgen. Eine offene Gesprächskultur schließt asynchrone und synchrone Kommunikationskanäle ausdrücklich ein. Neben der zentralen Beteiligungsplattform als Web-App sollten mobile Apps, Audio- und Videokonferenzen sowie Kollaborationssysteme die Beteiligungsverfahren unterstützen. Da viele Beteiligungsverfahren in Zukunft parallel in Präsenz durchgeführt werden, sollte die Plattform die Vor-Ort-Kommunikation sowie die Dokumentation und Nachbereitung solcher Veranstaltungen technisch unterstützen.

Die Akzeptanz der Plattform ist unter zweierlei Gesichtspunkten zu betrachten. Für viele Menschen der Zivilgesellschaft sollte es attraktiv sein, die Plattform intensiv zu nutzen. Gleichzeitig muss es für die Verwaltung Mehrwert stiften, Beteiligungsverfahren über eine solche Plattform anzustoßen und diese Verfahren aktiv zu begleiten. Das lässt sich durch verschiedene Maßnahmen erreichen. Hier nur ein paar Stichworte: Wissensvorsprung durch Aktualität der Informationen, Nutzerbindung durch Gamification des User-Erlebnisses, Einbettung in soziale Medien, individuell zugeschnittene Themenangebote und Benachrichtigungen, automatisierte Filterung von Kommentarfluten, intelligentes Sperren oder Stummschalten von Hetzenden, Trollen und Bots.

Wissensschätze heben und Demokratie nachhaltig stärken

Die größten Potenziale der Bürgerbeteiligung schlummern jedoch darin, Wissensschätze zu heben, an die eine öffentliche Verwaltung nicht oder nur mit großem Aufwand gelangen kann. Ortskenntnis, kreative Denkansätze, Transferleistungen aus unterschiedlichen Fachgebieten bieten die engagierten Bürgerinnen und Bürger. Gleichzeitig fehlt dem Staat nicht zuletzt aufgrund des demografischen Wandels und der eingeschränkten Vergütungsmöglichkeiten das Personal, um vergleichbare Kenntnisse und Fähigkeiten für viele Gebiete vorzuhalten. Wenn es gelingt, dieses Potenzial anzuzapfen, zu strukturieren und transparent in gutes Verwaltungs- und Regierungshandeln zu übertragen, lässt sich unsere Demokratie nachhaltig stärken und weiterentwickeln.