Zukunft
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Reformen für die Verwaltung von morgen

Dr. Dominik Böllhoff im Gespräch über ein neues Strategiepapier der PD

Das kürzlich veröffentlichte Strategiepapier der PD „Der Weg zur öffentlichen Hand von morgen – Eine Reformagenda, heute zu beginnen“ setzt sich mit den Herausforderungen und Reformbedarfen der öffentlichen Verwaltung auseinander. Ziel ist es, einen umfassenden und zukunftsfähigen Ansatz für die Verwaltung von morgen zu entwickeln. Im Interview erläutert Dr. Dominik Böllhoff, Senior Advisor bei der PD – Berater der öffentlichen Hand GmbH, wie dieses Papier entstanden ist, welche Kernpunkte es behandelt und welche Bedeutung es für die Verwaltungsmodernisierung hat.

Verwaltung der Zukunft: Die PD hat im Juni 2024 ein neues Strategiepapier veröffentlicht. Können Sie Ihre Arbeit kurz vorstellen: Worum geht es bei diesem Strategiepapier, an wen richtet es sich und warum wurde es erstellt?

Dr. Dominik Böllhoff: Die PD ist die Inhouse-Beratung für Bund, Länder und Kommunen. Wir verfügen über ein sehr großes Beratungs- und Verwaltungswissen, das vor allem durch die enge Zusammenarbeit mit der öffentlichen Hand in einer Vielzahl von Projekten und dem guten Kontakt zu den Gesellschaftern der PD entstanden ist. Ziel unseres Strategiepapiers war es, die in einer Vielzahl von Projekten auf den föderalen Ebenen im Bereich der strategischen Verwaltungsmodernisierung gesammelten Erfahrungen und das Wissen aus bereits veröffentlichten Publikationen aus Wissenschaft und Praxis zusammenzubringen und zu verdichten.

Das Strategiepapier wurde über ein Jahr hinweg in einem partizipativen Prozess erstellt und anschließend konsultiert. Die Ergebnisse wurden am 16. Juni 2024 veröffentlicht. Aktuell werden zu besonders relevanten Themen weiterführende Überlegungen angestellt, z. B. zu einer Reformagenda für die kommunale Ebene. Unsere Motivation ist es, nicht nur die aktuellen Herausforderungen des öffentlichen Sektors – wie etwa den demografischen Wandel, die Digitalisierung, das Aufgabenwachstum oder die Haushaltsknappheit – zu beschreiben, sondern auch Überlegungen zu konkreten Lösungsansätzen zu entwickeln.

Als GmbH in öffentlicher Trägerschaft ist es unser Auftrag, auch über die Projektarbeit hinaus Mehrwerte für den öffentlichen Sektor schaffen. Das Strategiepapier bringt zentrales Wissen aus der Arbeit der PD über viele Jahre zusammen – und das möchten wir weitergeben.

VdZ: Was genau war hierbei Ihre Rolle?

Dr. Böllhoff: Ich bin als Querwechsler aus dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) zur Inhouse-Beratung PD gekommen. Für mich als Verwaltungspraktiker mit recht großer Projekterfahrung ist es äußerst spannend, die Methoden und Logiken der Beratung besser zu verstehen und einen Beitrag für ein besseres wechselseitiges Verständnis zwischen öffentlicher Hand und Beratung zu leisten.

In meinem ersten Jahr bei der PD wurde mir die Gelegenheit gegeben, neben der Unterstützung in verschiedenen Beratungsprojekten auf Bundes- und Landesebene zusammen mit einem vielköpfigen Expertenteam an der Erarbeitung des Strategiepapiers mitzuwirken. Insbesondere das Wissen und die Erfahrungen der fachlich spezialisierten Expert Groups der PD spielten dabei eine wesentliche Rolle.

VdZ: Was verstehen Sie unter einem „ganzheitlichen Reformansatz“ und was sind dabei die Kernpunkte?

Dr. Böllhoff: Der Fokus der meisten Publikationen aus Beratung, Think Tanks und Wissenschaft liegt aktuell primär auf dem Trendthema „Digitalisierung der öffentlichen Hand“. Wir wollten bewusst von einer breiteren, ganzheitlicheren Sicht auf die öffentliche Verwaltung ausgehen. Wir sind einen Schritt zurückgetreten und haben überlegt, worin die aktuellen und künftigen Herausforderungen von Staat und Verwaltung liegen. Ausgangspunkt ist daher auch die Formulierung eines Zielbilds für die öffentliche Hand von morgen.

Im PD-Strategiepapier schlagen wir ein solches Zielbild mit den drei Zielfeldern Gemeinwohl- und Serviceorientierung, Handlungsfähigkeit sowie Effizienz vor. Auf Basis dieses Zielbildes haben wir vier Reformbereiche definiert: Restrukturierung der Verwaltungslandschaft, Personalentwicklung und -motivation, neuer Modus Operandi sowie Erhöhung der Produktivität.

Abbildung 1: Zielbild der öffentlichen Hand von morgen
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VdZ: Wie unterscheidet sich dieser von bisherigen Reformversuchen?

Dr. Böllhoff: Was dieses Papier interessant macht, ist, dass es nicht nur die Frage des „Was“, sondern auch des „Wie“ in Bezug auf Verwaltungsreformen versucht zu beantworten. Zum „Was ist zu tun?“ wurden Zielbild, die vier Reformbereiche und konkrete Reformmaßnahmen entwickelt.

Die Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik und Verwaltung, die das Papier vor der Veröffentlichung in einer Konsultationsphase gelesen und mit uns diskutiert haben, sind sich darin einig, dass die definierten Schwerpunkte grundsätzlich richtig sind und daran gearbeitet werden muss.

Die eigentliche Herausforderung liegt dann aber beim „Wie“ – also der Frage der Umsetzung der Maßnahmen. Auch wir bei der PD haben hier keinen Königsweg. Aber wir haben verschiedene Ansätze für eine grundlegende Reform dargestellt. Ausgangspunkt ist – wenig überraschend – die Formulierung eines konkreten Zielbilds und eines Reformprogramms. Das ist einfach zu empfehlen, aber außer Frage anspruchsvoll umzusetzen.

Um noch grundlegender die Reformen von Staat und Verwaltung voranzubringen, schlagen wir drei Varianten vor: die Einrichtung eines unabhängigen Expertenrats für die öffentliche Hand von morgen, die verstärkte Nutzung von Bürgerräten im Bundestag oder die Einberufung eines Konvents für die öffentliche Hand von morgen.

Unabhängig davon, ob ein solcher Weg gewählt wird, ist es wichtig, überhaupt ein Reformprogramm zu formulieren. Es fehlt an einem ganzheitlichen Rahmen, der bereits aufgesetzte Programme und Projekte z. B. in den Bereichen Bürokratieabbau, Personalentwicklung, Haushaltskonsolidierung oder Digitalisierung verbindet und eine erfolgreiche und nachhaltige Umsetzung absichert.

Abbildung 2: Vier Reformbereiche zur Erreichung des Zielbilds.
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VdZ: Können Sie konkrete Beispiele für erfolgreiche Reformprojekte nennen, die als Vorbild für zukünftige Maßnahmen dienen können?

Dr. Böllhoff: Es gibt außer Frage eine Vielzahl von Projekten der öffentlichen Hand, die Wirkung zeigen bzw. gezeigt haben. Ich möchte drei Beispiele nennen.

Erstens, die Gründung des Bundesamts für Auswärtige Angelegenheiten (BfAA) in Brandenburg. Die Entscheidung, aus einem großen Ministerium – hier dem Auswärtigen Amt (AA) – operative Service- und Querschnittsaufgaben auszugliedern und in eine spezialisierte Geschäftsbereichsbehörde zu überführen, ist sinnvoll. Eine stärkere Trennung zwischen strategischen und operativen Aufgaben ist für die Funktionsfähigkeit von Behörden – aufgrund von Behördenwachstum und vor dem Hintergrund eines steigenden Spar- und Konsolidierungsdrucks wichtig.

Zweitens, die interministerielle Arbeitsgruppe „Personal in der Digitalen Verwaltung“ (AG PersDiV), die unter Federführung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) ressortübergreifend Vorschläge für die Weiterentwicklung der Personalarbeit der Bundesverwaltung entwickelt. Dabei orientiert sie sich an den im Koalitionsvertrag definierten Kernaufgaben zur Verwaltungsmodernisierung im Personalmanagement. Die AG zielt darauf ab, durch das gemeinsame Entwickeln von Lösungsansätzen und das Teilen von Best Practices Synergien zu schaffen und standardisierte Ansätze für das Personalmanagement, z. B. für Personaleinstellung, Fortbildung und Führung zu entwickeln. Es besteht natürlich immer noch sehr viel mehr Effizienz- und Verbesserungspotenzial und die Dinge könnten schneller gehen, aber es zeigt sich hier, dass über einen kooperativen Ansatz das Personalmanagement der Ministerien optimiert werden kann.

Drittens, die Verbesserung der föderalen Zusammenarbeit durch Gründung der Föderale IT-Kooperation FITKO in Frankfurt. Die FITKO unterstützt Bund, Länder und Kommunen bei der Definition von föderalen IT-Standards, koordiniert und vernetzt interföderale Digitalisierungsvorhaben und übernimmt das Produktmanagement für einzelne Produkte, etwa den 115-Service. Die Bündelung von Kompetenzen und Ressourcen zwischen den Ländern und mit dem Bund wird immer wichtiger. Auch ist aktuell eine föderale Digitalstrategie in Vorbereitung. Das geht in die richtige Richtung.

VdZ: Die Probleme und Ziele im öffentlichen Sektor sind oft bekannt, aber ihre Umsetzung bleibt ein Rätsel. Welche häufigen Fehler haben Sie beobachtet, und an welchen Stellschrauben muss Ihrer Meinung nach gedreht werden?

Dr. Böllhoff: Ich denke, für die Mitarbeitenden in der öffentlichen Verwaltung ist es oft kein Geheimnis, wo genau die Herausforderungen liegen. Die Kolleginnen und Kollegen der Verwaltung wissen, was gut läuft – und wo es eben noch Verbesserungsbedarf und Luft nach oben gibt.

Klassische Herausforderungen sind z. B. unklare politische Aufträge, unverbindliche Zusammenarbeit, mangelnde Kooperationsbereitschaft, Schnittstellenprobleme, Doppelstrukturen bzw. geteilte Zuständigkeiten oder weitere bzw. sich wandelnde Aufgaben.

All dies macht es sehr herausfordernd, Veränderungen erfolgreich umzusetzen.

Hier hilft neben motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern insbesondere gute, professionelle Führung in der Verwaltung und eben auch auf politischer Ebene. Eine ganz wichtige Aufgabe ist es gerade in Zeiten knapper Kassen, dort, wo möglich, Aufgaben und Projekte konsequent zu priorisieren und auf dieser Basis vorhandene Ressourcen optimal zu allokieren.

Auch geht es nicht nur um die Steuerung von Linienaufgaben, sondern auch zunehmend um die Fähigkeit, Projekte professionell aufzusetzen und zu steuern. Projektmanagement wird immer wichtiger – und das Handwerkszeug dazu sollte auf allen Ebenen vorhanden sein und professionell genutzt werden.