Ermittlungen ohne Ermittlungsansätze - der Albtraum der Kriminalpolizei
Wenn die Strafverfolgungsbehörden zwar wollen, aber nicht können, weil sie nicht dürfen
Unverhofft kommt oft – auch in der Politik!
Lange Zeit hatte man den Eindruck, dass sich „in Berlin“ - gemeint sind hier Bundesregierung und Bundestag - in puncto Mindestspeicherfristen wegen Selbstblockade der Ampelkoalition nichts mehr tut. Jetzt könnte sich das Blatt wenden. Zwar ist die Ampelkoalition (auch) in dieser Frage gespalten (SPD FÜR Mindestspeicherfristen, FDP strikt DAGEGEN, GRÜNE irgendwo dazwischen), aber jetzt scheint sich doch etwas zu tun. Zwar nicht im Bundestag, dem Kanzleramt oder in den federführenden Ressorts, sondern im Bundesrat.
Der Grund: Die schwarz-grüne Landesregierung von NRW will dort eine Initiative zu den Themen Terrorfinanzierung, rechtzeitige Aufdeckung der Planung schwerer, staatsgefährdender Straftaten und eben zum Thema Vorratsdatenspeicherung/Mindestspeicherfristen starten. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die im Komplex „Anschlagspläne auf den Kölner Dom“ die Daten nur deshalb dem mutmaßlichen Täter zugeordnet werden konnten, weil sein Provider dessen Daten zufällig noch gespeichert hatten. Was Datenschützern den Schweiß auf die Stirnen treibt, war für die Ermittler ein erfreulicher Fund.
Es gehe bei dieser Bundesratsinitiative - natürlich - nicht um eine massenhafte, unbefristete Speicherung von IP-Adressen, sondern um zeitlich befristete, um einen „minimal invasiven“ Eingriff.
Dabei wissen alle Fachleute ganz genau, dass es bei diesem Thema gerade NICHT „nur“ um die Verhinderung von Terrorfinanzierung und die Abwehr terroristischer Angriffe geht, sondern auch - und gerade - um die fürchterlichen Fälle von Kindesmissbrauch, bei denen das Thema „Netz/Darknet“ seit jeher eine große, sprich: unrühmliche, Rolle spielt.
Erst vor wenigen Monaten hatte die Bundesinnenministerin das „Bundeslagebild Sexualdelikte zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen 2023“ vorgestellt, mit erschreckenden Befunden: Alleine in diesem Jahr wurden 16.375 Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern bekannt, die Dunkelziffer dürfte erschreckend hoch sein. Gut 45.000 Fälle betreffen die Darstellungen derartiger Missbrauchsfälle, weit überwiegend im Netz.
Gerne in diesen Fällen stehen die Ermittler nicht selten vor schier unlösbaren Problemen: Wie und in welche Richtung soll man ermitteln, wenn es an ErmittlungsANSÄTZEN fehlt? An Zeugen, Lichtbildern, Fingerabdrücken oder Fußspuren, von DNA-Spuren ganz zu schweigen. Oftmals gibt es nur - sofern überhaupt noch vorhanden - die IP Adressen der Rechner als einzige Ermittlungsansätze. Was aber, wenn die Provider diese Daten mangels Speichergrund und -verpflichtung längst gelöscht haben?
„Wir brauchen die Speicherung der IP-Adressen!“ sagte Frau Faeser bei der Vorstellung des Berichtes. Gerade so, als sei sie in der Opposition, nicht aber an der Regierung.
Der Autor, Wolfgang Bosbach, ist Kongresspräsident des Berliner Kongresses für wehrhafte Demokratie. Von 1994 bis 2017 war er Mitglied des Deutschen Bundestages und dort unter anderem von 2000 bis 2009 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion für den Bereich Innen- und Rechtspolitik und von 2009 bis 2015 Vorsitzender des parlamentarischen Innenausschusses.
Der 7. Berliner Kongress Wehrhafte Demokratie - Gesellschaftlicher Dialog für Innere Sicherheit, Verteidigungsfähigkeit und Zusammenhalt findet vom 16. bis 17. Juni 2025 im Hotel de Rome in Berlin statt.