Justizdigitalisierung erfolgte über lange Jahre in einem weitgehend stabilen Umfeld. Dieses war geprägt durch bewährte Technologien und einen kaum veränderlichen Unterstützungsbedarf der Gerichte und Staatsanwaltschaften. Ausdruck dessen ist bundesweit das Angebot justizieller Softwarelösungen durch in die Jahre gekommene „Legacy“-Verfahren. Angesichts der hohen Dynamik, der die Justizdigitalisierung hinsichtlich ihrer Handlungsoptionen und Handlungserfordernisse aktuell unterliegt, geraten sogar neue Lösungsansätze unter Druck, mittelfristig den Anschluss zu verlieren.
Was sind die Einflussfaktoren der Justizdigitalisierung in den nächsten Jahren?
- Schauen wir zunächst auf die „Akteure“ jenseits der Gerichte und Staatsanwaltschaften. Im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit nutzt die Anwaltschaft in rasch zunehmendem Maße moderne Legal-Tech-Lösungen, um die Justiz nahezu fabrikmäßig mit automatisiert generierten Massenklagen zu überziehen. Auch für nicht standardisierbare Verfahren werden digitale Lösungen in einer bislang nicht gekannten Intensität angewandt, um die Effizienz der typischen anwaltlichen Aufgabenbearbeitung disruptiv zu erhöhen. Die Ermittlungsbehörden, die Staatsanwaltschaften und die Strafgerichte sind zusätzlich mit Tätergruppen konfrontiert, die modernste Technologien konsequent nutzen, um den Wirkungsgrad krimineller Aktivitäten signifikant zu steigern und gleichzeitig deren Nachvollziehbarkeit deutlich zu erschweren – und das nicht nur in der organisierten Kriminalität.
- Mit der bislang in der Justizdigitalisierung vorherrschenden „Elektronifizierung“ sind die traditionell papiergebundenen Prozesse bisher im Wesentlichen unverändert geblieben. Der nächste Schritt muss der Übergang zu echten digitalen Prozessen sein – nicht nur für Richter und Staatsanwälte, sondern auch für Rechtspfleger und Serviceeinheiten. Indem dokumentgebundene durch datenbasierte Lösungen abgelöst werden, lässt sich nicht nur bereits heute die Produktivität und Verfügbarkeit von Daten als Rohstoff justizieller Arbeit deutlich steigern. Datenbasierte Lösungen bilden auch das Fundament für die Innovationen von morgen – und das nicht nur im Kontext der künstlichen Intelligenz! In diesen Zusammenhang ordnet sich auch die Registermodernisierung ein, die das größte digitale Transformationsprogramm der öffentlichen Verwaltung neben dem Onlinezugangsgesetz bildet und zu der gerade die in der Zuständigkeit der Justiz liegenden Datenbestände einen wesentlichen Beitrag leisten können.
- Der digitale Handlungsdruck in den Justizbehörden wächst zusätzlich durch den Umstand, dass sie in den nächsten Jahren der bereits seit langem absehbare demographische Wandel und der sich hieraus ergebenden Fachkräftemangel mit voller Wucht erreicht. Um den dringenden Personalbedarf der Zukunft zu decken, wird es dabei nicht nur um die digitale Effizienzrendite gehen. Wichtig ist ebenso, durch schlanke Prozesse und innovative Lösungen Nachwuchskräfte zu gewinnen, die beides mit größter Selbstverständlichkeit erwarten. Dies gilt auch und gerade im Wettbewerb um motiviertes und qualifiziertes Personal für die Geschäftsstellen.
- Gesetzgeber und Justiz ihrerseits unternehmen große Anstrengungen, um die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Arbeit der Gerichte und Staatsanwaltschaften nachhaltig zu modernisieren. Hier sei lediglich beispielhaft auf das eJustice-Gesetz, das „Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens“ sowie das „Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz“ verwiesen. Die Grenzen des digital Zulässigen erweitern sich durch die Veränderung des rechtlichen Rahmens fortgesetzt und zum Teil deutlich. Die sich hieraus ergebenden Möglichkeiten auf das Mach- und Finanzierbare abzubilden, stellt die Verantwortlichen in der Justiz – neben der Aufrechterhaltung eines reibungslosen digitalen Tagesgeschäfts – vor zusätzliche Herausforderungen.
- Hinzu kommen disruptive technologische Entwicklungen, die die über Jahrzehnte geltenden Grenzen des technisch Möglichen - etwa in den Bereichen Prozessbeschleunigung durch KI und Robotic Process Automation oder der geteilten Nutzung von Daten und Lösungen im Cloud-Betrieb - deutlich verschieben. Dabei zeigt sich allerdings, dass die Verfügbarkeit technologischer Optionen und deren produktive Einsatzreife zweierlei sind. KI-PoCs die solitär wie Pilze aus dem Boden schießen, bergen die Gefahr einer wenig hilfreichen „Kleinstaaterei“, die überdies vielfach eine Parallelwelt zu den in den Gerichten und Staatsanwaltschaften eingesetzten Fachverfahren begründen. Über 80 % dieser KI-Verprobungen - so wissen es belastbare Studien - sehen das Licht der Nutzung in der Fläche nicht, weil ein eindrucksvoller Show Case noch lange kein produktiv einsetzbares digitales Angebot ist. Und im Kontext der Cloud-Nutzung stellen sich zahlreiche Fragen hinsichtlich des Datenschutzes und der Datensicherheit, deren Antworten in der Regel in einer klugen Verzahnung von On-Premise-, Private-Cloud- und Public-Cloud-Betrieb liegen („Hybrid-Cloud-Ansatz“).
Wie dürfen wir Sie unterstützen?
IBM bietet unter einem Dach weltweit führende innovative Technologielösungen in Verbindung mit hoher fachlicher Expertise in der Entwicklung und Pflege justizieller Fachanwendungen und E-Akte-Lösungen. Dies bildet die Grundlage für unser ganzheitliches Produkt- und Dienstleistungsangebot. Dessen Schwerpunkte sind dabei:
IBM bietet produktionsreife KI-Lösungen, integriert in justizielle Fachverfahren
Unser Competence Team Legal Tech bündelt die verschiedenen IBM-Entwicklungen justizieller KI-Lösungen zu einem Baukasten, der sowohl für Massen- als auch für Umfangsverfahren erprobte Unterstützung anbietet. Der Fokus liegt dabei auf KI-Assistenten, die sowohl in unsere eigenen als auch in Fachverfahren und eAkte-Systeme Dritter nahtlos integriert werden können und nicht für das „Schaufenster“, sondern für den Produktivbetrieb in der Fläche konzipiert und entwickelt werden. Unser bewährtes Vorgehensmodell der „IBM Garage“ stellt dabei sicher, dass die Endnutzenden aus der Praxis der Gerichte und Staatsanwaltschaften in den „Zeugenstand“ gerufen werden - in allen Entwicklungsphasen von der Identifikation und Schärfung des KI-Unterstützungsbedarfs bis hin zur fortgesetzten Optimierung nach erfolgter Produktivsetzung. Unsere KI-Plattform watsonx orchestriert unsere KI-Lösungen optimal, ist aber keine Voraussetzung für deren Nutzung.
IBM begleitet Sie auf dem Weg zur justiziellen eAkte der Zukunft
Die zurzeit genutzten justiziellen Fachverfahren und eAkte-Systeme „elektronifizieren“ überwiegend traditionelle Arbeitsweisen, indem sie die Verwaltung von Papierdokumenten durch „digitales Papier“ (PDF) ablösen. Die zentrale Herausforderung der nächsten Jahre besteht daher darin, den Schritt von der dokumenten- zur datenbasierten Digitalisierung der Arbeitsweise in den Gerichten und Staatsanwaltschaften zu vollziehen. IBM ist vor diesem Hintergrund Ihr Partner, um justizielle Digitalisierung neu zu denken. Im Mittelpunkt unserer Strategie steht dabei die „Runderneuerung“ der in den Gerichten und Staatsanwaltschaften eingesetzten eAkte-Lösungen. Innovative Gestaltungsoptionen zur Verbesserung der Usability, auch im Zeichen des von IBM verfolgten Prinzips der Human Friendly Automation, beziehen wir dabei ebenso in die Überlegungen ein, wie die signifikante Reduzierung der Arbeitsschritte bei der Nutzung der eAkte. Ein Beispiel ist die direkte Datenübernahme und Automatisierung im Zusammenspiel der eAkte mit den Fachanwendungen, ermöglicht durch den Einsatz von KI und Robotic Process Automation. Dabei optimieren wir die digitale Unterstützung mit Blick auf die sich verändernden rechtlichen Rahmenbedingungen. Unsere Vision ist eine elektronische Akte als zentrale Informationsdrehscheibe, an die unterschiedliche Fachverfahren andocken können, ohne Informationen aufwendig zu ex- oder zu importieren.
IBM ermöglicht KI-gestützten User Support mit eManuel
Justizielle Digitalisierungslösungen sind komplex und unterliegen einer steten Veränderung. Ihre Nutzerinnen und Nutzer sind durch das Tagesgeschäft stark belastet und finden zumeist nicht die Zeit, sich umfassend mit neuen Versionsständen vertraut zu machen. Die Sichtung von Online-Handbüchern und Release Notes im Bedarfsfall unterbleibt vielfach, da der damit verbundene Aufwand aus Sicht der Nutzerinnen und Nutzer unverhältnismäßig hoch ist. Im Ergebnis bleibt daher der Wirkungsgrad der digitalen Unterstützung in der Praxis nicht selten hinter dem zurück, was die Systeme bei vertiefter Kenntnis ihrer Funktionalität ermöglichen. IBM hat in enger Zusammenarbeit mit der rheinland-pfälzischen Justiz mit eManuel eine KI-basierte Lösung zur Benutzerunterstützung entwickelt, die in natürlicher Sprache befragt werden kann, um auf Basis der hinterlegten verfahrensbezogenen Dokumentation mit geringstmöglichem Aufwand konkrete Hilfestellungen zu konkreten Rückfragen zur Verfahrensnutzung zu erhalten. Die positive Resonanz der Praxis hat unsere Erwartungen übertroffen.
IBM optimiert Ihren Anwendungsbetrieb
Befragt nach den drei dringendsten Handlungsbedarfen antworten die Nutzerinnen und Nutzer von justiziellen Verfahren weitgehend übereinstimmend „Performance! Performance! Performance!“. Die ungeheuren Daten- und Dokumentvolumina, die die Justizdigitalisierung mit sich bringt, stellen herkömmliche Kommunikations- und Betriebskonzepte vor erhebliche Herausforderungen. Ein wichtiger Baustein unseres Angebots im Zusammenhang der Betriebsoptimierung ist daher die Unterstützung eines performanten und ausfallsicheren Betriebs der Justiz-Anwendungen. Das von uns speziell für die Justiz entwickelte Frühwarnsystem bietet ein belastbares Monitoring des Betriebszustands Ihrer Justiz-Anwendung – in Echtzeit und standortbezogen. Unser auf INSTANA basierender Lösungsansatz bietet mit einer KI-basierten Betriebsanalytik die Möglichkeit, Anomalien frühzeitig zu erkennen und etwaigen Störungen des Verfahrensbetriebs proaktiv vorzubeugen. Zu den vorbeugenden Maßnahmen gehört auch die Modernisierung der Software-Architektur, deren Betreib- und Wartbarkeit durch Containerisierung und DevSecOps-Konzepte wirksam verbessert werden kann.
IBM unterstützt den sicheren Betrieb von eJustice-Lösungen in der Cloud
Mit "Hybrid by Design" hat IBM ein Konzept für den zukunftssicheren Betrieb von IT-Lösungen entwickelt, das den hohen Governance-Anforderungen der Justiz in besonderem Maße Rechnung trägt. Die von uns entwickelten IT-Architekturen integrieren On-Premise-, Private- und Public-Cloud-Umgebungen, um eine bedarfsscharfe Skalierbarkeit, Effizienz, Resilienz und Wirtschaftlichkeit der Betriebsstrukturen unter Berücksichtigung der verschiedenen Schutzbedarfe der zu berücksichtigenden Verfahren und Daten zu erreichen. Im Ergebnis können hierdurch erforderliche Anpassungen der betrieblichen Rahmenbedingungen und Erfordernisse rasch umgesetzt, Wartungszeiten reduziert und Betriebskosten minimiert werden. Die Kombination der Intelligenz von KI mit der Agilität der Hybrid Cloud ermöglicht es, Betriebsabläufe zu verschlanken, Ergebnisse „vorherzusagen“ und Betriebsaufgaben zu automatisieren, indem intelligente Workflows etabliert und Daten effektiv und sicher gemanagt werden. Die Hybrid-Cloud-Lösungen von IBM verfügen über integrierte Sicherheits- und Compliance-Kontrollen, um den Datenschutz in allen Umgebungen zu gewährleisten. Dazu gehören auch fortschrittliche automatisierte Sicherheitslösungen, die durch KI unterstützt werden und eine robuste Governance bieten.
📅 IBM auf dem 3. Digital Justice Summit
25. November 15:45 - 16:30: Best-Practice-Dialog I.A1
KI Strategie des Justizministeriums BaWü – die nächste Stufe der Einführung von KI (AT)
3. Digital Justice Summit - Deutschlands Justiz gemeinsam moderner machen!
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25.–26. November
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Kongresscenter im Hotel de Rome
Das Digital Justice Summit begleitet den Transformationsprozess aller Institutionen und Akteure im Umfeld der Judikative einschließlich europäischer Entwicklungen. Der Kongress vernetzt also ebenenübergreifend Entscheidungsträger/innen und alle beteiligten Akteure/innen im Umfeld der Justiz bzw. des Justizwesens: die Gerichte der verschiedenen Gerichtsbarkeiten, die Staatsanwaltschaften, den Justizvollzug, die sozialen Dienste der Strafrechtspflege, die Justizverwaltung, das Notariat sowie die Rechtsberatung. Ebenso die Digitalwirtschaft, die Legal Tech-Szene, die Versicherungswirtschaft, Wissenschaft und Forschung sowie die Zivilgesellschaft. Die Veranstaltung schafft eine Plattform für einen gesamtgesellschaftlichen Dialog, um gemeinsam die volle Bandbreite der Themen der Modernisierung und Digitalisierung des Justizsektors zu diskutieren und neue Lösungsansätze zu entwickeln.