3. ZuKo Sozialversicherungen
© Simone M. Neumann

Die digitale Zukunft der Sozialverwaltung

Rückblick auf den 3. ZuKo Sozialversicherungen

Am 27.11.2024 fand der 3. ZuKo Sozialversicherungen als Satellit des Zukunftskongresses Staat & Verwaltung im Berliner Hotel de Rome statt. Wir blicken zurück auf einen Tag voller spannender, zukunftsorientierter Sessions unter dem Leitmotiv „Soziale Sicherheit im digitalen Wandel“.

Mit insgesamt 19 Programmpunkten wurde der digitale Wandel im Bereich der Sozialversicherungen vergangene Woche aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Vertreten waren Personen aus Bund, Ländern, Kommunen, Wirtschaft und Wissenschaft, um die Zukunft des Sozialstaats zu diskutieren und digitale Möglichkeiten genauer unter die Lupe zu nehmen. Dabei ging es um Themen wie Registermodernisierung, OZG 2.0, Robotic Process Automation, Cloud-Lösungen und Nachhaltigkeit. Neben Perspektiven aus Deutschland wurden ebenfalls Best-Practices aus dem Ausland geteilt.

Staatssekretär Dr. Rolf Schmachtenberg bei seiner Eröffnungsrede.
© Simone M. Neumann

Digitalisierung? Ja, bitte!

In seiner Eröffnungsrede betont Dr. Rolf Schmachtenberg, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, gleich zu Beginn die Bedeutung der Digitalisierung für den Sozialstaat, um auf die Herausforderungen unserer Zeit wie den Fachkräftemangel und den demographischen Wandel adäquat reagieren zu können. Wichtig sei dabei, Prozesse durch Digitalisierung zu vereinfachen und nicht noch „durch ein Häkchen mehr“ zu verkomplizieren.

Im Folgenden werden verschiedene Digitalisierungsprojekte, die den Sozialstaat unterstützen, wie das Netzwerk "KI in der Arbeits- und Sozialverwaltung", die preisgekrönte KI-Anwendung "KIRA" der DRV Bund oder die "Digitalisierungsstrategie der Arbeits- und Sozialverwaltung", die das BMAS gemeinsam mit verschiedenen Akteuren erarbeitet hat. Diese Beispiele zeigen, welche Projekte bereits angestoßen wurden und wo mögliche Anknüpfungspunkte Stichwort Registermodernisierung bestehen.

Auch das Thema Finanzierung ist angesichts steigender Beiträge, einer immer älter werdenden Gesellschaft und fehlenden Arbeitskräften entscheidend für einen funktionierenden Sozialstaat. Dr. Nicolaus Heinen, Leiter der Grundsatzabteilung im Bundesministerium der Finanzen spricht sich im Eröffnungsplenum neben der Digitalisierung als Modernisierungstreiber dafür aus, kapitalgedeckte Elemente auch in anderen Bereichen der Sozialversicherungen einzusetzen. Es müssen dafür allerdings die nötigen Rahmenbedingungen in der Politik geschaffen werden.

Janina Mütze im Eröffnungsplenum.
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Janina Mütze (Civey GmbH) macht in ihrem kurzen Einwurf auf das mangelnde Vertrauen in politische Institutionen in Deutschland aufmerksam. Sie spricht in diesem Zusammenhang auch den von Prof. Karl-Rudolf Korte erschaffenen Begriff „Gewissheitsschwund“ an, der auf diesem Kongress noch in zahlreichen anderen Vorträgen aufgegriffen werden wird.

Laut einer repräsentativen Studie von Civey und PwC (Ergebnisse abrufbar im unten verlinkten Artikel "Materialien & Präsentationen") erachten zudem zwei Drittel der Deutschen das Sozialsystem als nicht generationengerecht – ein deutlicher Weckruf für die Politik.

Der Beginn der Ende-zu-Ende-Digitalisierung

Während im Plenarsaal über digitale Transformation als Chef*innen-Sache diskutiert wird, geht es in einer kleineren Werkstatt-Session um den Nutzen des Onlinezugangsgesetzes 2.0  und damit der Ende-zu-Ende-Digitalisierung  für die Sozialversicherungen.

Es wird schnell deutlich: Die schönsten Technologien bringen nichts, wenn sie von den Bürger*innen und Verwaltungen nicht genutzt werden. Der Anteil der Deutschen, die bis 2024 den digitalen Personalausweis schon einmal genutzt haben, liegt beispielsweise bei nur 22 %. In den Vorjahren lag der Wert allerdings noch klar darunter.

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Vertrauen in digitale Zugänge bedeutet auch Vertrauen in Demokratie.  Bertram Geck, Bundesagentur für Arbeit

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Zurück zum OZG 2.0: Die dort beschriebene Ende-zu-Ende-Digitalisierung einheitlich durchzusetzen, ist wichtig, um Behörden grundsätzlich zu entlasten. Eine weitere Überlegung, die von Michael Pfleger (FITKO) genannt wird, um die Modernisierung der Verwaltungen generell voranzutreiben, betrifft die Zusammenlegung der drei großen Domänen Innenverwaltung, Finanzverwaltung und Sozialverwaltung, die sich unabhängig voneinander entwickelt haben. Diese Zusammenführung würde den gesamten Verwaltungsapparat entlasten, wäre zunächst allerdings auch mit einer Menge Reibung verbunden.

Vom Vertreter des DRV Bund, Johannes Wolf, wird thematisiert, dass die Nutzerzentrierung, welches sich das ursprüngliche OZG auf die Fahnen geschrieben hat, noch nicht gut genug sei. Das Once-Only-Prinzip sei entscheidend, damit nicht an verschiedene Stellen dieselben Daten eingegeben werden müssen. Dafür ist die Registermodernisierung wichtig. Bezüglich des OZG 2.0 müssen die rechtlichen Grundlagen zur Datenverarbeitung klar sein, was in der Praxis wohl noch nicht der Fall sei.

Abschließend lässt sich zusammenfassen, dass neben der möglichst umfangreichen Umsetzung der Ende-zu-Ende-Digitalisierung die Kenntnis über und das Vertrauen in bereits bestehende digitale Angebote, wie die DeutschlandID, gestärkt werden müssen  sowohl bei den Bürger*innen als auch in den Behörden.

Von links nach rechts: Max Straubinger (CDU/CSU), Pascal Kober (FDP), Jan-Lars Bey (Cassini), Manuel Emmler (Bündnis 90/Die Grünen), Anika Klose (SPD).
© Simone M. Neumann

Wie sehen die Parteien die Zukunft des Sozialstaates?

Dass die Digitalisierung der Sozialversicherungen nötig ist, um den Sozialstaat fit für die Zukunft zu machen, muss an diesem Tag nicht länger erwähnt werden.

Nach zahlreichen Best-Practice-Sessions wird im Abschlusspanel unter anderem diskutiert, welche Maßnahmen für eine Modernisierung des Sozialstaates nötig sind und woher der Schub für den Wandel kommen soll.

Für Manuel Emmler (Bündnis 90/Die Grünen) ergibt sich der Digitalisierungsdruck aus dem demographischen Wandel in der öffentlichen Verwaltung. Er schlägt vor, eine einheitliche Anlaufstelle für Sozialleistungen zu schaffen. Außerdem sieht er eine mögliche Föderalismusreform als Weg, Prozesse zukünftig zu vereinfachen. Auch Anika Klose (SPD) spricht eine Föderalismusreform an und betont außerdem, dass der Datenaustausch zwischen einzelnen Behörden verbessert werden muss, um nach dem Once-Only-Prinzip Daten nur einmal eingeben zu müssen. Generell müsse aber bedacht werden, dass nicht alle Menschen mit der Digitalisierung gleich gut klar kommen.

Dieser Punkt ist auch Max Straubinger (CDU/CSU-Fraktion) ein Anliegen. Es stelle sich nicht nur die Frage, ob Bürger*innen digitale Lösungen annehmen, sie müssen auch dazu befähigt werden. Es sei zudem wichtig, auf die individuellen Situationen der Personen zu achten. Pascal Kober (FDP) bringt den „Grüne-Wiese-Ansatz“ ins Spiel. Anstatt bestehende, möglicherwiese sehr komplizierte Prozesse zu digitalisieren, sollten danach Menschen beauftragt werden, die sich mit Digitalisierung generell auskennen und neue Prozesse für den Sozialstaat entwickeln.

Mehr Zusammenarbeit, mehr Mut

Der Moderator des Plenums Jan-Lars Bey, der zu Beginn noch einmal die Stabilität des deutschen Sozialstaates betont, resümiert die gut 60-minütige Abschlusssitzung mit den Worten: “Wir haben jetzt nicht die eine Lösung, aber verschiedene Ansätze gehört.“

Genau darum soll es gehen an Kongresstagen wie diesem: sich gegenseitig zuhören, in den Austausch treten und Best-Practices teilen. Es gilt weiterhin, das Vertrauen der Menschen in den Sozialstaat zu stärken. Genauso darf der Mut, Entscheidungen zu treffen und Dinge zu verändern, nicht verloren gehen. Die eine Lösung für ein hochkomplexes Thema wie die digitale Modernisierung der Sozialversicherungen gibt es schließlich nicht.

Die gute Nachricht: Das Sozialversicherungssystem ist so stabil, dass kein totaler Kollaps droht. Dennoch besteht dringender Handlungsbedarf, Prozesse ganzheitlich zu vereinfachen und zu digitalisieren.

Materialien & Präsentationen
Der 3. ZuKo Sozialversicherungen auf einen Blick
Dr. Rolf Schmachtenberg

Der 3. ZuKo Sozialversicherungen auf einen Blick

Materialien und Präsentationen zur Veranstaltung

Zum Weiterlesen: Wegweiser-Studie

Die neuste Wegweiser-Studie "Soziale Sicherheit im digitalen Wandel: Modernisierungsimpulse für die Sozialversicherungen Deutschlands" mit inhaltlicher Unterstützung von PwC (Dr. Wolfgang Zink & Andreas Hellenbrand) untersucht, wie Sozialversicherungsträger auf Herausforderungen wie Fachkräftemangel, demografischen Wandel und technologische Entwicklungen reagieren und welche Modernisierungsschritte notwendig sind, um zukunftsfähig zu bleiben.

Die Ergebnisse der Studie waren eine Grundlage für die Diskussionen auf dem 3. ZuKo Sozialversicherungen am 27. November 2024. Ziel ist es, Modernisierungsimpulse aufzuzeigen und den Dialog über die Zukunft der deutschen Sozialversicherung zu fördern.

Leser*innen mit einem VdZ|plus-Konto können sich die vollständige Studie als PDF herunterladen, inklusive ausführlicher Antworten und Grafiken.