Bitte nicht wörtlich nehmen: Die Schleierfahndung!
Grenzkontrollen finden nicht nur an der Grenze selber statt
Spätestens seitdem Bundesinnenministerin Nancy Faeser an allen Grenzen zu unseren 9 Nachbarländern (kein Land in der EU hat mehr Nachbarstaaten als Deutschland) Grenzkontrollen angekündigt hat, ist die Durchführung dieser Kontrollen wieder Gegenstand lebhafter Debatten und einer intensiven medialen Beobachtung und Berichterstattung.
Zunächst wurde ernsthaft behauptet, Deutschland sei das einzige EU-Land, das zu stationären Grenzkontrollen zurückkehre. Das war sachlich schlicht falsch, mittlerweile gibt es mehr EU-Staaten mit als ohne Grenzkontrollen.
Als dieses „Argument“ abgeräumt war, wurde keck behauptet, derartige Kontrollen hätten überhaupt keinen Nutzen, jedenfalls stünden Aufwand und Ertrag in keinem vernünftigen Verhältnis. Sollte wohl heißen: Aufwand hoch-Nutzen niedrig. Als nach kurzer Zeit die ersten Ergebnisse öffentlich wurden, war auch dieses „Argument“ kaum noch zu vernehmen.
Letztendlich wurde prognostiziert, dass durch diese Kontrollen der Personen- und Güterverkehr quasi zum Erliegen käme, schwere volkswirtschaftliche Schäden seien zu befürchten, kilometerlange Schlangen von PKWs und LKWs würden die grenznahen Räume ersticken. Zwar hatten wir auch zur Zeit der Fußball-EM in Deutschland derartige Kontrollen, allerdings ohne katastrophale Auswirkungen auf die Grenzregionen oder die Wirtschaft, aber so leicht lassen sich Skeptiker und Warner natürlich nicht beruhigen. Es war schon immer schwierig, mit nüchternen Fakten gegen Emotionen anzutreten. Nachdem auch diese Horrorszenarien einem Realitätscheck nicht standhalten, lässt sich als Zwischenfazit festhalten: Die Bundespolizei erfüllt auch diese Aufgabe klug und effektiv, neudeutsch: smart.
Allerdings nicht sie alleine, in Bayern arbeitet sie bei der Grenzsicherung eng mit der dortigen Grenzpolizei zusammen, die es bislang nur in diesem Freistaat gibt. Allerdings möchte der Freistaat Sachsen bald nachziehen, warten wir mal auch in diesem Punkt die anstehenden Koalitionsverhandlungen ab.
Diese Tätigkeit der Bundespolizei ist -auch wenn dies einige überraschen mag- keineswegs neu, denn die Sicherung unserer Außengrenzen vor illegaler Migration gehört zu den Hauptaufgaben die der Bundespolizei gesetzlich zugewiesen sind.
Nicht nur an den Landesgrenzen selber -also klassisch stationär- sondern auch im grenznahen Bereich im Wege der sog. Schleierfahndung. Nein, hierbei geht es nicht um das Aufspüren abhanden gekommener modischer Accessoires, sondern um eine bestimmte Methode der Fahndung in grenznahen Bereichen incl. verdachtsUNabhängiger Kontrollen. Erstmals eingeführt in Bayern vor fast genau 30 Jahren, mittlerweile gibt es 12 (!) Bundesländer, in denen dieses Fahndungsinstrument gesetzlich normiert ist.
Beispiel Hamburg: Dort ermöglicht die Schleierfahndung nicht nur die Feststellung der Identität, sondern auch die Inaugenscheinnahme und Durchsuchung mitgeführter Sachen.
Die EU-Kommission, traditionell wenig begeistert, wenn sich die Mitgliedsstaaten um effektiven Grenzschutz bemühen, hat auch die Schleierfahndung zunächst sehr kritisch gesehen, sich mittlerweile aber mit der Einführung derartiger Kontrollen in einem Bereich von 30 km Tiefe entlang der Binnengrenze der Schengen-Staaten versöhnt.
Dabei geht es im Übrigen nicht „nur“ um den Komplex illegaler Migration, es geht auch und nicht zuletzt um den Kampf gegen den Drogenschmuggel und die Fahndung nach Straftäter, die grenzüberschreitend unterwegs sind.
Offene Grenzen sind etwas Schönes, Erstrebenswertes- aber die Sicherheit sollte darunter nicht leiden.
Der Autor, Wolfgang Bosbach, ist Kongresspräsident des Berliner Kongresses für wehrhafte Demokratie. Von 1994 bis 2017 war er Mitglied des Deutschen Bundestages und dort unter anderem von 2000 bis 2009 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion für den Bereich Innen- und Rechtspolitik und von 2009 bis 2015 Vorsitzender des parlamentarischen Innenausschusses.