„Nach Angriff mit Baseballschläger querschnittsgelähmt!”
Wenn Straftaten als „schwer”, nicht aber als „schwerste” gelten - und die Folgen für die Opfer.
Schwieriger wird es, zwischen „schwersten” und „schweren” Straftaten zu unterscheiden. Erst recht dann, wenn man einmal nicht die Perspektive des Gesetzgebers oder der Justiz einnimmt, sondern die eines Opfers. Zugegeben, diese Sichtweise führt bei politischen Debatten ohnehin ein Nischendasein. Es scheint, als hätten die Opfer von (schweren/schwersten) Straftaten nur im ersten Moment unsere Aufmerksamkeit und unser Mitgefühlt, allzu rasch wendet sich der öffentliche und juristische Blick dem Täter zu. Was wird aus ihm? Wird er gefasst? Ist er geständig? Was waren seine Motive? Kann ihm die Tat zweifelsfrei nachgewiesen werden? Wenn ja, welche Strafe erwartet ihn? Wo bleibt da das Opfer?
Schnell stößt man bei derartigen Überlegungen auf eine Vorschrift des Strafgesetzbuches, die weitestgehend unbekannt sein dürfte, jedenfalls bei juristischen Laien und Nicht- oder Gott-sei-Dank-Noch-Nicht-Betroffenen: § 226 StGB (Schwere Körperverletzung). Wohlgemerkt: Schwer - nicht schwerste! Der Grundtatbestand ist - natürlich - die Körperverletzung, § 223 StGB, hier aber mit schweren (nicht schwersten) Folgen für den Verletzten: Die Stichworte lauten: Verlust des Sehvermögens auf einem oder beiden Augen, des Gehörs, des Sprechvermögens oder der Fortpflanzungsfähigkeit, Verlust eines wichtigen Körpergliedes, dauerhafte Entstellung, Siechtum, Lähmung, geistige Krankheit, Behinderung- jeweils als Folge der vorsätzlich begangenen Körperverletzung.
Obwohl die Strafandrohungen erheblich sind, im Grundtatbestand von einem Jahr (Haft) bis zu zehn Jahren, im qualifizierten Fall nicht unter drei Jahren, fällt diese Vorschrift nicht unter die unjuristische Kategorie „Kapitalverbrechen". Hiermit sind Delikte mit Todesfolge gemeint, also nicht nur Mord oder Totschlag, so bspw. auch Raub mit Todesfolge.
Allerdings zählt man neuerdings auch die „Bildung einer terroristischen Vereinigung” gemäß § 129 a StGB zu den „schwersten” Verbrechen, obwohl die Strafandrohung mit der des § 226 StGB identisch ist und - noch - niemand konkret geschädigt oder gar getötet wurde. Als Strafgrund genügt schon die potenzielle Gefährlichkeit der Gründung einer solchen Vereinigung.
Es ist nicht ohne weiteres einsichtig, hier die Schwere der Tat deutlich höher zu gewichten als bei tatsächlich eingetretenen, schweren Folgen einer Tat, wie z.B. einer Querschnittslähmung oder Erblindung.
Der Autor, Wolfgang Bosbach, ist Kongresspräsident des Berliner Kongresses für wehrhafte Demokratie. Von 1994 bis 2017 war er Mitglied des Deutschen Bundestages und dort unter anderem von 2000 bis 2009 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion für den Bereich Innen- und Rechtspolitik und von 2009 bis 2015 Vorsitzender des parlamentarischen Innenausschusses.
Der 7. Berliner Kongress Wehrhafte Demokratie - Gesellschaftlicher Dialog für Innere Sicherheit, Verteidigungsfähigkeit und Zusammenhalt findet vom 16. bis 17. Juni 2025 im Hotel de Rome in Berlin statt.