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Überfällig? Überzogen? Unverhältnismäßig? Verfassungswidrig?

Wie das Verbot von "COMPACT" das Netz spaltet.

Nein, auch in dieser Kolumne geht es nicht darum, ein endgültiges Urteil über die entsprechende Verbotsverfügung der Bundesinnenministerin zu fällen, zumal hierfür nicht das vielzitierte "Netz" zuständig ist, sondern die Gerichte. Bleibt zu hoffen, dass das auch in Zukunft so bleibt.

Interessant ist allerdings, dass auf unzähligen Kanälen zu diesem Thema Behauptungen aufgestellt werden, die zwar – sagen wir einmal – interessant, aber rechtlich eher fragwürdig sind.

Beginnen wir einmal mit dem beliebten Vorwurf, dass jedes Verbot eines Presseorgans ein verfassungswidriger Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Pressefreiheit wäre. Übersehen wird dabei gerne, dass dies nicht das erste und einzige diesbezügliche Verbot ist. Schon vor acht Jahren hatte der damalige Innenminister Thomas de Maizière (CDU) die linksextremistische Internetseite "linksunten.indymedia" verboten. Bei Durchsuchungen im Umfeld der Betreiber wurden u. a. Messer und Schlagstöcke gefunden.

Vor fünf Jahren machte dann Innenminister Horst Seehofer (CSU) die Mezopotamien Verlag und Vertrieb GmbH und die MIR Multimedia GmbH als Teilorganisation der kurdischen Arbeiterpartei PKK dicht. Vorwürfe, die beiden Minister hätten dadurch der Pressefreiheit in Deutschland einen schweren Schlag versetzt, wurden nur in Spurenelementen erhoben. Ganz anders beim Verbot von "COMPACT".

Rubrik: Politik, Strategie & Governance
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Originell, aber letztlich rechtlich irrelevant, ist auch der Vorwurf, das Verbot basiere auf dem VereinsG und könne schon deshalb keine Wirkung entfalten – Medien seien keine Vereine. Einige glauben wohl, dass mit dem Begriff "Vereine" nur klassische Vereine gemeint sein könnten, also Sport-, Musik-, Heimatvereine usw. Das mag im allgemeinen Sprachgebrauch auch so sein, vereinsrechtlich aber nicht!

§ 2 I VereinsG: "Verein ... ist jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit ... Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat." Hier muss es sich nicht um einen eingetragenen Verein (e.V.) handeln, die in Deutschland am häufigsten gewählte Rechtsform für "klassische" Vereine. Welches Tatbestandsmerkmal soll hier NICHT erfüllt sein?

Bleibt die Frage nach der materiell-rechtlichen Grundlage des Verbots. Nach dem VereinsG darf ein Verein (nur) dann verboten werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, dass seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder dass er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet.

Ob diese Voraussetzungen im konkreten Fall (COMPACT) vorliegen, wird nach objektiven Kriterien zu beurteilen sein, nicht nach der jeweiligen politischen Ausrichtung von Kritikern oder Befürwortern des Verbots. Überlassen wir diese Beurteilung ruhig den zuständigen Gerichten.

Das hat sich in den letzten 75 Jahren durchaus bewährt.

Der Autor, Wolfgang Bosbach, ist Kongresspräsident des Berliner Kongresses für wehrhafte Demokratie. Von 1994 bis 2017 war er Mitglied des Deutschen Bundestages und dort unter anderem von 2000 bis 2009 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion für den Bereich Innen- und Rechtspolitik und von 2009 bis 2015 Vorsitzender des parlamentarischen Innenausschusses.

Der 7. Berliner Kongress Wehrhafte Demokratie - Gesellschaftlicher Dialog für Innere Sicherheit, Verteidigungsfähigkeit und Zusammenhalt findet vom 16. bis 17. Juni 2025 im Hotel de Rome in Berlin statt.