Digitales Rathaus - Serie
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Das digitale Rathaus - ein Missverständnis?

Teil 2: Was passiert eigentlich in einem Rathaus?

Im ersten Teil der Serie haben wir die Hypothese aufgestellt, dass dass die aktuelle - auf die OZG-Fachverfahren verengte - Verwendung des Begriffs “Digitales Rathaus” den Blick auf Herausforderungen und Potentiale der digitalen Transformation als Ganzes verstellt. In diesem zweiten Teil möchten wir zeigen, welche Konsequenzen sich für den “Scope” der digitalen Transformation der öffentlichen Verwaltung ergeben.

Um die Breite des Verwaltungshandelns im Verhältnis zu dem zu erfassen, was im digitalen Rathaus heutiger Prägung passiert, hilft der Vergleich mit dem Verwaltungshandeln, welches wir aus dem “echten”, d.h. physischen Rathaus kennen:

  digitales Rathaus heute “echtes” Rathaus physisch
interne Zusammenarbeit x +
bereichsübergreifende Zusammenarbeit x +
Fachverfahren erledigen (strukturierte Anfragen / OZG) + (+) Rückfragen, Besprechungen
Anliegen vorbringen (nicht strukturierte Anfrage) x +
Bürgerbeteiligung x +
Projekte / IKZ x +
Vernetzung x +

 

Das digitale Rathaus - ein Missverständnis?
Digitales Rathaus - Serie

Das digitale Rathaus - ein Missverständnis?

Teil 1 von 5

Im physischen Rathaus findet Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitenden der Verwaltung statt, sowohl innerhalb, als auch - in Grenzen - über die Grenzen einzelner Fachbereiche hinweg. Gerade im Hinblick auf die Verwaltungsdigitalisierung wird hier häufig die “Silomentalität” in der Verwaltung beklagt und die Notwendigkeit betont, mehr in bereichsübergreifenden Projekten und Strukturen zu arbeiten.

Weiterhin werden im Rathaus Fachverfahren durchgeführt - von der simplen Beantragung des Führungszeugnisses bis zum komplexen Bauverfahren. Während Fachverfahren voll- bzw. teilstrukturierte Prozesse darstellen, werden im Rathaus auch eine Vielzahl unstrukturierter Anliegen von Bürgern, Unternehmen und der Zivilgesellschaft bearbeitet und Fragen beantwortet. Passt ein Bürger- oder Unternehmensanliegen nicht genau in das digitale Fachverfahrensraster, endet die Digitalisierung mit persönlicher oder telefonischer Vorsprache im Amt.

Ebenfalls Teil des Leistungsspektrums eines Rathauses ist die Beteiligung von Bürgern an Anliegen ihrer Kommune: in strukturierter Form als Gremienverfahren (z.B. Ortsbeirat, Gemeindebeirat etc.) oder auch in Bezug auf konkrete Vorhaben als formelles Beteiligungsverfahren, für das Bürger im Rathaus Planungen einsehen oder sich im Rahmen von entsprechenden Veranstaltungen informieren können. Für den wachsenden Anteil digital affiner Bürger wird es zunehmend unverständlich, Unterlagen zu einem Projekt nur im Rathaus einsehen zu können oder nur physisch an der Sitzung des Gemeinderats teilnehmen zu können.

Hinzu kommt die Zusammenarbeit über die Grenzen der einzelnen Kommune hinweg, sei es als formelle IKZ, gemeinsamer Dienstleistungserbringung oder singulärem Projekt sowie die Zusammenarbeit mit kommunalen Dienstleistungsunternehmen aus bspw. der Ver- und Entsorgung. Die genannten Zusammenarbeitsformen über die Grenzen einer einzelnen Verwaltung hinweg können nur dann die notwendige Leistungsfähigkeit entfalten, wenn sie die Begrenzungen physischer Zusammenarbeit hinter sich lassen und dynamische Kommunikations- und Kollaborationsstrukturen aufbauen.

Nicht zuletzt ist ein Bereich zu nennen, der häufig im Kontext von Verwaltungsdigitalisierung und digitalem Rathaus auftaucht: die Smart-City-Projekte der öffentlichen Verwaltung, deren Bedeutung für die Entscheidungsfindung im öffentlichen Sektor, Unternehmen und Bürger gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Je aktueller und besser die Datengrundlage, desto besser die auf dieser Basis getroffenen Entscheidungen. Smart-City-Projekte sind also unverzichtbarer Bestandteil der digitalen Transformation der öffentlichen Verwaltung.

Betrachtet man die aufgezeigte Breite der Aktivitäten der öffentlichen Verwaltung jenseits der Fachverfahren, wird das Potential einer ganzheitlichen Perspektive auf die digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung deutlich: nimmt man die Bereiche in den Blick, die in der aktuellen Ausrichtung nicht im Fokus sind, können erheblich größere Anteile des Verwaltungshandelns von den Möglichkeiten der Digitalisierung profitieren: Bereichs- oder Organisationsübergreifende Projekte bspw. könnten schneller und besser umgesetzt, Potentiale durch ortsunabhängige interne Zusammenarbeit können gehoben werden.

Können wir es uns angesichts der zunehmend knapper werdenden Fachkräfte leisten, die Effizienzgewinne der Digitalisierung auf die Durchführung von der Fachverfahren zu beschränken? Oder ist es nicht umgekehrt so, dass durch eine die Breite des Verwaltungshandelns umfassende Sicht die Digitalisierung der Fachverfahren profitieren kann, z.B. durch organisationsübergreifende Projekte in der Umsetzung?

Weiter geht es mit Teil 3 der fünfteiligen Serie am kommenden Donnerstag!