Bosbach
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Reichsbürger, Selbstverwalter & Co. – Harmlose „Spinner“ oder gefährliche Extremisten?

Die Klartext!-Kolumne des Rechtsexperten Wolfgang Bosbach

Wer zum allerersten Mal die Begriffe „Reichsbürger“ oder „Selbstverwalter“ hört, oder sich über deren Ansichten und Aktivitäten noch nicht gründlich informiert hat, wird vielleicht ganz spontan denken: „Lasst sie doch! Harmlose Typen, vielleicht etwas abgedreht, aber die tun doch keinem was. Man muss doch nicht alles ganz ernst nehmen!?“ Leider würde eine solche Einschätzung an den bitteren Realitäten vorbei gehen. Wer hieran Zweifel hat, dem seien zur Information die Berichte der bundesdeutschen Verfassungsschutzbehörden der letzten Jahre wärmstens empfohlen, denn mit diesen Phänomenen mussten sich sowohl diese Behörden als auch die Polizeien des Bundes und der Länder zuletzt sehr intensiv befassen. Leider!

Hilfreich könnte auch ein Blick in die polizeiliche Kriminalstatistik sein, die sich bekanntlich nicht mit schrägen verfassungsrechtlichen Konstruktionen oder merkwürdigen Weltanschauungen beschäftigt, sondern mit knallharten Fakten im Bereich der Straf- und insbesondere der Gewaltdelikte. Im Bereich der politisch motivierten Kriminalität geht es ja gerade um den Zusammenhang zwischen extremistischen, menschenverachtenden Ansichten und Einstellungen und der Begehung von Straf- und insbesondere Gewalttaten, denen derartige Motive zugrunde liegen. 

Die Szene der Reichsbürger ist nicht rechtsförmlich organisiert. Sie wird auch nicht autoritär geführt, es finden auch kaum straff organisierte Veranstaltungen statt. Einen „Chef“, der die Bewegung überregional repräsentiert, sucht man vergebens. Die Bewegung ist heterogen und diffus – was sie allerdings keineswegs harmlos oder ungefährlich macht. Wir finden seit Jahren nicht nur Einzelpersonen, sondern auch Klein- und Kleinstgruppen, gerne oder sogar vorwiegend im Netz agierend. 

Das sie alle verbindende Element ist laut Verfassungsschutz „... die fundamentale Ablehnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland sowie deren bestehende Rechtsordnung.“

Assoziation zum Deutschen Reich ist gewollt

Die Reichsbürgerszene gibt es schon seit einigen Jahrzehnten.  Bereits 1985 wurde die Existenz einer „Kommissarischen Reichsregierung“ bekannt. Spätestens an dieser Stelle werden auch Vertreter der Fraktion „alles-nicht-so-schlimm“ zusammenzucken, denn die gedankliche Assoziation zur Wiederherstellung des Deutschen Reiches ist nicht nur naheliegend, sie ist gewollt. 

Demgegenüber sind die Selbstverwalter zwar nicht zwingend auf das Deutsche Reich fixiert, aber deren ideologische Einstellung und Argumentationsmuster weisen viele Parallelen zur Reichsbürgerszene auf. Man bestreitet die Zugehörigkeit zur Bundesrepublik, lehnt „folgerichtig“ Maßnahmen der Eingriffsverwaltung ab und nicht wenige aus diesem Milieu glauben ernsthaft, sich durch eigene Grenzziehungen aus dem Bundesgebiet verabschieden zu können. Und schwere Gewalttaten wie vor Jahren in Reuden (Sachsen-Anhalt) oder Georgensgmünd (Bayern) werden in der Szene als „erfolgreicher Widerstand gegen den Staat“ gefeiert. 

Hohe Affinität zu Schusswaffen

Interessant und besorgniserregend ist in diesem Zusammenhang auch die Affinität der Szene zum Besitz von (Legal-)Waffen. Der Anteil der Waffenbesitzer in der Szene ist wesentlich höher als der Anteil im Durchschnitt der Bevölkerung. 

Bundesweit werden aktuell circa 19.000 Personen den Bereichen Reichsbürger und Selbstverwalter zugerechnet, davon sollen knapp 1.000 Personen der rechtsextremistischen Szene angehören. 

Etwa 530 sollen immer noch Besitzer von Legalwaffen sein, allerdings wurden auch schon 800 Personen wegen fehlender charakterlicher Eignung waffenrechtliche Erlaubnisse entzogen. 

Wer die Existenz der Bundesrepublik Deutschland ablehnt, von der Wiederherstellung des Deutschen Reiches fabuliert, eigene Grenzziehungen vornimmt, Phantasieausweise („gelber Schein“) produziert, unsere Rechtsordnung ablehnt, eigene Regierungen oder Verwaltungen erfindet und aus diesem Geist heraus schwere und schwerste Straftaten begeht, der ist kein harmloser Spinner, sondern brandgefährlich. 

 

Der Autor ist Kongresspräsident des GDÖS – Berliner Kongress für wehrhafte Demokratie. Von 1994 bis 2017 war Wolfgang Bosbach Mitglied des Deutschen Bundestages und dort unter anderem von 2000 bis 2009 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion für den Bereich Innen- und Rechtspolitik und von 2009 bis 2015 Vorsitzender des parlamentarischen Innenausschusses. 

Was uns die Polizeiliche Kriminalstatistik verrät – und was nicht

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Klartext! ist die neue Kolumne von Wolfgang Bosbach zu Themen der Innen- und Rechtspolitik