Christian Pfromm HH
© Senatskanzlei/Claudia Höhne

Hamburger Hafen der Innovation

VdZ-Interview mit CDO Christian Pfromm: Neue Wege durch Experimentierklauseln und Feedback

Das „Hamburg Digital" blitzt und blinkt auf der Webseite der Senatskanzlei. Als eine der führenden Metropolen Deutschlands werfen viele Städte und Gemeinden einen Blick gen Norden. Bereits im Jahr 2015 wurde hier der Grundbaustein für ein modernes Hamburg gelegt, Anfang 2020 folgte eine umfassende Digitalstrategie. Zuletzt wurden auch die dezentralen Digitalstrategien der einzelnen Hamburger Behörden aktualisiert. Bislang deckt sie die verschiedenen Lebensbereiche der Stadt ab, darunter Mobilität, Kultur, Stadtentwicklung, digitale Verwaltung und natürlich den Hamburger Hafen. Was ist neu? Inwieweit sind die Bürgerinnen und Bürger an der Digitalisierung beteiligt? Und welche Rolle spielen neue Technologien wie Cloud Computing, Building Information Modeling und Feedback? Im VdZ-Interview steht Christian Pfromm Rede und Antwort.

Verwaltung der Zukunft: Im Jahr 2023 wurden die Fortschreibungen der dezentralen behördlichen Digitalstrategien veröffentlicht. Wie unterscheiden sich die aktualisierten Versionen zu ihrem Vorgängern? Was hat die Fortschreibung  veranlasst?


Christian Pfromm ist seit 2018 Chief Digital Officer (CDO) der Freien und Hansestadt Hamburg. In der Senatskanzlei verantwortet er den Ausbau Hamburgs zur digitalen Stadt sowie die digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung.
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Christian Pfromm: Digitalisierung ist nichts, womit man irgendwann einfach fertig ist. Aus meiner Sicht ist sie ein kontinuierlicher Prozess, an dem laufend weiter gearbeitet werden muss. Aus diesem Grund ist die regelmäßige Iteration der dezentralen Digitalstrategien und der übergreifenden Digitalstrategie für Hamburg von Anfang an so gemeinsam verabredet worden. Dieses Commitment ist sehr wichtig, damit Strategiepapiere nicht in der Schublade landen, sondern umgesetzt werden.  

Nach dem ersten Erstellungsprozess der behördlichen Digitalstrategien haben wir alle beteiligten Akteure um Feedback gebeten, um unsere Zusammenarbeit und Prozesse zu verbessern. Die Ergebnisse der Befragung waren für die Ausgestaltung des neuen dezentralen Strategieprozesses maßgebend. Die Kolleginnen und Kollegen äußerten zum Beispiel den Wunsch nach mehr Vergleichbarkeit zwischen den dezentralen Digitalstrategien und nach einer stärkeren Verknüpfung mit der gesamtstädtischen Strategie. Das haben wir aufgegriffen und eine Handreichung entwickelt, die durch den Strategieprozess führt und bieten zudem ein regelmäßiges Austauschformat an.

VdZ: Zu welchem Maß involvieren Sie die Bürgerinnen und Bürger bei der Digitalisierung? Gibt es beispielsweise eine Bedarfsanalyse einzelner Maßnahmen?

Pfromm: Im Rahmen der Umsetzung des Onlinezugangsgesetztes (OZG) hat Hamburg die Federführung des Themenfeldes „Unternehmensführung und -entwicklung" übernommen und sich damit vor allem auf Onlinedienste für Unternehmen fokussiert. Dazu haben wir Digitalisierungslabore organisiert, in denen wir Unternehmensvertreter frühzeitig einbezogen und an der Gestaltung der Online-Dienste beteiligt haben.

Aber auch bei der späteren Nutzung dieser Online-Dienste in Hamburg sind wir auf Feedback angewiesen. Mithilfe der sogenannten „Nationalen Feedback Komponente" (NFK) erfasst Hamburg Rückmeldungen der Nutzerinnen und Nutzer, die auf Basis zahlreicher Leitfragen Feedback zu den Onlinediensten hinterlegen. Mithilfe von Nutzeranalysen erheben wir darüber hinaus quantitative Daten zu allen eigens erstellten Onlinediensten, um beispielsweise die durchschnittliche Nutzungszeit der Onlinedienste, Aktionen pro Besuch oder Absprungraten festzuhalten. Die Daten werden regelmäßig ausgewertet und bei der Weiterentwicklung der Onlinedienste berücksichtigt. So sind wir immer am Puls der Zeit und können bestmöglich auf unsere Nutzerinnen und Nutzer eingehen.

VdZ: Zum 1. Januar 2024 hat Hamburg eine neue Vergaberichtlinie mit einer Experimentierklausel für eine bessere Zusammenarbeit mit Technologieunternehmen veröffentlicht. Was können wir uns darunter vorstellen?

Pfromm: Mit der neuen Vergaberichtlinie und speziell mit der Experimentierklausel haben wir Pionierarbeit in Deutschland geleistet, das kann man klar sagen. Sie erlaubt uns schneller und dennoch rechtssicher innovative Technologien für die Hamburger Verwaltung zu beschaffen und in Behörden zu pilotieren. So können wir unmittelbar auf neuartige Angebote am Markt reagieren und sie in der Praxis erproben.

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Mit der neuen Vergaberichtlinie und speziell mit der Experimentierklausel haben wir Pionierarbeit in Deutschland geleistet [...]. Wir können nun unmittelbar auf neuartige Angebote am Markt reagieren und sie in der Praxis erproben.

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Im Detail erlaubt die Experimentierklausel bei Aufträgen bis zu 100.000 Euro und einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren nur ein Unternehmen zum Angebot aufzufordern, vorausgesetzt unsere städtische Venture Client-Einheit GovTecHH ist involviert und der Auftragsgegenstand beinhaltet den Einsatz neuer Technologien zur Verwaltungsmodernisierung.  Von GovTecHH wurden seit Gründung der Einheit im April 2022 inzwischen mehr als 30 Markterkundungen begleitet und es konnte eine umfangreiche Marktexpertise aufgebaut werden. Das ständig wachsende Netzwerk von innovativen Anbietern – insbesondere auch Start-ups – ermöglicht es uns, schnell passende Kooperationspartnerinnen und -partner für Problemstellungen in der Hamburger Verwaltung zu finden.

VdZ: Ein wichtiger Baustein in Hamburg ist natürlich das Geschäft rund um den Hafen. Der geplante Neubau der Köhlbrandbrücke – eines der Wahrzeichen der Stadt Hamburg – ist ein Riesenprojekt. Sie erproben dort Anwendungen wie Building Information Modelling oder einen Digitalen Zwilling. Was passiert dort genau und welche Bedeutung hat das für die Zukunft des Bauens?

Pfromm: Wir kennen in Deutschland genug Beispiele für Großprojekte, bei denen die Kosten aus dem Ruder gelaufen sind. Das kann vielseitige Gründe haben. Ich bin davon überzeugt, dass wir auch in Planungs-, Bau- und Unterhaltungsprozessen die Chancen der Digitalisierung für uns nutzen müssen.

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Wir kennen in Deutschland genug Beispiele für Großprojekte, bei denen die Kosten aus dem Ruder gelaufen sind. Das kann vielseitige Gründe haben. Ich bin davon überzeugt, dass wir auch in Planungs-, Bau- und Unterhaltungsprozessen die Chancen der Digitalisierung für uns nutzen müssen.

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Daher setzten wir verstärkt auf das Building Information Modeling (BIM). BIM steht für die umfassende Digitalisierung des Planens, Bauens und Betreibens. Der Einsatz der BIM-Methode zielt darauf ab, über den gesamten Lebenszyklus der Bauwerke (Hochbau und Infrastruktur) alle relevanten Daten in intelligenten Bauwerksmodellen, sogenannten Digital-Asset-Twins, zu vereinen und im übergeordneten urbanen Zwilling zusammenzuführen. Das Prinzip „erst digital planen, dann bauen“, bewirkt eine wesentlich höhere Termin- und Kostenstabilität, da mit BIM wesentliche Planungsleistungen am digitalen Zwilling abgestimmt und qualitätsgesichert werden.

Wir haben inzwischen sechs BIM-Leitstellen bei den städtischen Realisierungsträgern aufgebaut und setzten dort über 50 BIM-Projekte um. Damit ist Hamburg zum Taktgeber der Digitalisierung im Bauwesen geworden und prägt bundesweit Digitalstandards. Und ja, auch das Jahrhundertbauwerk der neuen Köhlbrandbrücke werden wir unter Anwendung von BIM durchführen und damit zeigen, welche Vorteile das Konzept bei Großprojekten haben kann.

VdZ: Wie steht Hamburg zum Thema Cloud? Haben Sie eine eigene Strategie hierfür? Welche Rolle spielt dabei der zentrale IT-Dienstleister Dataport? 

Pfromm: Wir sind grundsätzlich sehr offen für die Cloud-Technologie, sie hilft uns bei der Automatisierung und Skalierung im Rechenzentrum. Daher wird sie auch bei unserem IT-Dienstleister Dataport bereits eingesetzt und in verschiedenen Projekten weiter ausgebaut. Außerdem beteiligt Hamburg sich an dem Umsetzungsprojekt der Deutschen Verwaltungscloud (DVC). Hier sehe ich großes Potential, denn der übergreifende Charakter der DVC bietet die Chance, bundesweit Standards für den Betrieb zu setzen. Damit würden sich ganz neue Möglichkeiten zur Nachnutzung von IT-Verfahren ergeben und wir hätten eine viel größere Transparenz was die Softwarelandschaft angeht.

Das KI-Pilotprojekts „LLMoin" aus Hamburg
Moin aus Hamburg
Hamburger Digitalprojekt

Moin aus Hamburg

Erste Ergebnisse des KI-Pilotprojekts „LLMoin" nach Testphase

Eine Grundvoraussetzung ist natürlich, dass wir unsere Anwendungen cloud-fähig machen. Bei vorhandenen Lösungen ist das nicht immer gegeben. Bei Neuentwicklungen achten wir darauf bereits. Aber viele Tätigkeiten in der Verwaltung können auch mit Standard-Software gelöst werden. Hamburg greift daher auch auf industrielle Cloud-Lösungen zurück. Dabei wird unter anderem Sicherheit und Datenschutz eingehend geprüft – wie bei jeder anderen Auftragsdatenverarbeitung auch. Hamburg hat deswegen keine separate Cloud-Strategie, sondern prüft bei allen IT-Fragestellungen, inwieweit Cloud-Technologie bei der Lösung hilft. Kollaborationsplattformen oder KI-Anwendungen werden ohne Cloud-Technologie kaum möglich sein.