Bosbach
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Föderalismus – ein Sicherheitsrisiko?

Die Klartext!-Kolumne des Rechtsexperten Wolfgang Bosbach

Spätestens seit dem Ausbruch der Corona- Pandemie und dem Ringen um die richtigen Maßnahmen zu deren Bekämpfung diskutieren wir wieder einmal die Vor- und Nachteile, die der real existierende Föderalismus mit sich bringt. Wenn 16 Bundesländer – zum Teil sehr unterschiedliche – Regelwerke verabschieden und noch nicht einmal Virologen mit fundierten Rechtskenntnissen unfallfrei erklären können, warum welche Vorschriften wo gelten – spätestens dann ertönt landauf, landab der Ruf nach mehr Einheitlichkeit und Übersichtlichkeit. Sprich: Nach bundesweit einheitlichen Regelungen.

Der Bund hat zwar die Gesetzgebungskompetenz für das Infektionsschutzgesetz, aber da die Umsetzung einzelner Maßnahmen mittels Rechtsverordnung der Länder geschehen muss, bleibt es sehr häufig bei unterschiedlichen Regelungen. Zwar sind nunmehr zumindest die Maßstäbe (Wann gilt wo was?) bundesweit einheitlich geregelt, aber einzelne Details regeln nach wie vor die Länder, zumal diese auch für den Vollzug zuständig sind.

Das allerdings ist im Bund-Länder-Verhältnis nicht die Ausnahme, das ist eher die Regel! So hat der Bund auch die Gesetzgebungskompetenz für das Straf- und das Strafprozessrecht, aber „die Justiz“ ist grundsätzlich Sache der Länder. Nur die obersten Bundesgerichte ressortieren in der Verantwortung des Bundes. Auch die Staats- und Generalstaatsanwaltschaften sind Behörden der Länder. Ausnahme: die Generalbundesanwaltschaft.

Auch „Polizei“ ist grundsätzlich Ländersache, mit zwei Ausnahmen: Bundespolizei und Bundeskriminalamt (BKA), das allerdings nur in ganz bestimmten Fällen der internationalen und besonders schweren Kriminalität in Eigenregie Aufgaben der Strafverfolgung wahrnimmt. Ansonsten forscht und analysiert das BKA bestimmte Phänomene der Kriminalität, übernimmt in bestimmten Fällen Aufgaben des Personenschutzes und fungiert natürlich als internationale Zentralstelle der Polizei. Wenn von irgendwo auf der Welt, zum Beispiel zum Zwecke der Gefahrenabwehr, wichtige Informationen nach Deutschland transportiert werden müssen, dann kann von den ausländischen Partnern nicht verlangt werden, alle 16 Bundesländer zu kontaktieren.

Noch komplizierter wird es im Zusammenspiel zwischen der Bundespolizei und den Polizeien der Länder, denn auch die Bundespolizei darf nur in dem engen Rahmen der ihr ausdrücklich zugewiesenen Kompetenzen agieren.

Die Silvesternacht 2015/2016 in Köln

Konkretes Beispiel: Bundespolizei als Bahnpolizei und die Kölner Silvesternacht 2015/2016 mit all den bekannten Vorfällen und strafbaren Handlungen, häufig zum Nachteil junger Frauen. Dass die Bundespolizei IM Bahnhof selber für die Verhinderung und Aufklärung von Straftaten zuständig ist, liegt in der Natur der Sache. Wo aber GENAU endet das Bahnhofsgelände und damit die originäre Zuständigkeit der Bundespolizei? Gehört der Bahnhofsvorplatz – in Köln bilden Lichtsäulen eine Art Grenze zur Innenstadt – noch zum Gelände des Bahnhofs oder gehört er schon zum „Hoheitsbereich“ der Landespolizei NRW? Darüber kann man trefflich streiten.

Polizeigesetze sind Ländersache

Nicht ohne Weiteres einleuchtend ist auch, dass zwar das Straf- und Strafprozessrecht bundesweit einheitlich geregelt ist, wir aber gleichzeitig in den 16 Ländern 16 verschiedene Polizeigesetze haben, mit zum Teil nicht unerheblich abweichenden Regelungen und Eingriffsbefugnissen. Was im Land A erlaubt ist, kann im Land B strikt verboten sein – und umgekehrt. Beispiel: Verdachtsunabhängige Kontrollen. Mal sind sie erlaubt, mal nicht.

Mal zwar möglich, aber nur zur Feststellung der Identität, mal auch zur Durchsuchung einer Person oder mitgeführter Sachen. Ein ähnlich buntes Bild gibt es auch beim sogenannten Unterbindungsgewahrsam. Hier gibt es von gänzlich fehlender Rechtsgrundlage über unterschiedliche Voraussetzungen bis zu ganz verschiedenen Fristen (fast) alles. Ein buntes Bild!

Wichtig zu bedenken: Sicherheitslücken, die durch fehlende Eingriffsbefugnisse in nur einem einzigen Land entstehen können, wirken sich ja nicht nur dort aus, sondern möglicherweise bundesweit!

Bemühungen, eine Art Musterpolizeigesetz verbindlich für alle Länder zu schaffen, gibt es schon seit Jahrzehnten. Bislang ohne Erfolg. Vermutlich wird man weiter daran arbeiten, aber da jedes Land glaubt, nur das eigene Gesetz sei das einzig richtige, wird diese Mühe wohl weiterhin vergeblich bleiben. Umso wichtiger ist ein verlässlicher, vertrauensvoller Austausch aller relevanten Daten und Informationen über Landesgrenzen hinweg. National und international. Die Polizei muss, überall und jederzeit wissen, was die Polizei weiß!

Der Autor ist Kongresspräsident des GDÖS – Gesellschaftlicher Dialog Öffentliche Sicherheit. Von 1994 bis 2017 war Wolfgang Bosbach Mitglied des Deutschen Bundestages und dort unter anderem von 2000 bis 2009 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion für den Bereich Innen- und Rechtspolitik und von 2009 bis 2015 Vorsitzender des parlamentarischen Innenausschusses.

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