Digital unterstütztes Home Office in der Kommunalverwaltung
Vom Ausnahmezustand zum Baustein einer Modernisierung der Verwaltungsarbeit
Die Voraussetzungen des digital unterstützten Home Office der Zukunft erschöpfen sich nicht in der technischen Ausstattung und der Internet-Anbindung der Heimarbeitsplätze, denn die Arbeitsbedingungen im Home Office unterscheiden sich von denen in den Dienststellen in nahezu jeder Hinsicht. Viele Faktoren sind daher zu berücksichtigen, um diese Arbeitsbedingungen rechtskonform, effizient und nicht zuletzt motivierend zu gestalten. Vor diesem Hintergrund zeigt der Autor nachfolgend die verschiedenen Facetten der Organisation des digitalen Home Office auf und plädiert dafür, dem je nach Situation variierenden Regelungsbedarf dieser Arbeitsform in lokalspezifisch ausgeprägten Nutzungskonzepten Rechnung zu tragen.
Digital unterstütztes Home Office - Warum?
Digitales Home Office weist verschiedene Vorzüge auf, die diese Arbeitsform auch für Kommunen attraktiv machen:
Familie und Beruf sind grundsätzlich besser vereinbar, wenn Arbeits- und Lebensort nicht auseinanderfallen. Insbesondere dem Tagesablauf von Familien mit Kindern kommt es zugute, wenn häusliche und berufliche Aufgaben zeitlich verzahnt werden können.
Auch die bei Home Office entfallenden Fahrten zur jeweiligen Dienststelle, die nicht selten 1,5 Stunden und mehr pro Tag beanspruchen, sind ein wichtiger Pluspunkt für viele Beschäftigte, mit dem diese nicht nur wertvolle zusätzliche Zeit für das private Umfeld gewinnen, sondern auch die Umwelt und das eigene Portemonnaie zugleich schonen.
Verschiedene belastbare Studien belegen überdies, dass Beschäftigte mit großzügigen Home-Office-Regelungen besser motiviert sind, seltener den Arbeitgeber wechseln und einen geringeren Krankenstand aufweisen, weil bei heimischer Arbeit keine Ansteckungsgefahr für Kolleg*innen besteht und die wegfallenden Fahrten zur Dienststelle zumindest bei leichteren Erkrankungen die Arbeitsfähigkeit nicht zusätzlich beeinträchtigen.
Nicht zuletzt aus den oben genannten Gründen etabliert sich das digital unterstützte Home Office in weiten Teilen der Wirtschaft zunehmend als zukunftsweisende Arbeitsform moderner Unternehmen. Das Bild des Beschäftigten, dessen Produktivität allein durch eine „Sichtkontrolle“ vor Ort gewährleistet werden kann, erweist sich zunehmend als Relikt einer vergangenen Zeit, das nicht mehr ins Internetzeitalter passt.
Erwiesen ist in jedem Fall, dass dieses neue Mitarbeiterbild, das sich in der Wirtschaft zunehmend ausprägt und von Offenheit und Vertrauen bestimmt ist, von den Betroffenen als wertschätzend und motivierend und von den Unternehmen letztlich als produktivitätsförderlich wahrgenommen wird. Die Kommunen tun daher gut daran, im Wettbewerb um die benötigten Leistungsträger*innen den Abstand zu der Innovations- und Experimentierbereitschaft der Privatwirtschaft nicht zu groß werden zu lassen.
Trotz der offensichtlichen Vorteile des digital unterstützten Home Office möchte der Autor nicht den Eindruck erwecken, diese Arbeitsform eigne sich in jedem Aufgabenfeld und für jeden Beschäftigten ohne Unterschied. Vielmehr wird sich das Arbeiten im heimischen Umfeld nur dann als vorteilhaft für Mitarbeiter*innen und kommunale Arbeitgeber zugleich erweisen, wenn verschiedene Voraussetzungen gegeben sind beziehungsweise geschaffen werden.
Nachfolgend werden diese Voraussetzungen, die sich unter sechs Aspekten zusammenfassen lassen, näher betrachtet.
Technik & Logistik
Auch wenn das digital unterstützte Home Office nicht – wie es häufig geschieht – auf die erforderliche technische Infrastruktur reduziert werden darf, ist die Verfügbarkeit geeigneter IT-Komponenten im heimischen Umfeld, mit auskömmlicher Bandbreite an das Internet angebunden, eine entscheidende Stellschraube für die Praxistauglichkeit dieser Arbeitsform.
Bedeutsam ist etwa die Frage, inwieweit der heimische IT-Arbeitsplatz den Anforderungen genügt, die die im Home Office wahrgenommenen Aufgaben stellen. Naturgemäß kann diese Frage nicht einheitlich beantwortet werden, sondern nur in Abhängigkeit vom spezifischen Arbeitsfeld des/der Heimarbeiter*in. Eine Mitarbeiterin der Bauverwaltung, die im Home Office regelmäßig auf digitales Kartenmaterial zugreifen muss, wird andere Anforderungen an den heimischen Arbeitsplatz stellen als ein Mitarbeiter, der für die Erhebung der Gewerbesteuer zuständig ist.
Bislang besitzt eine adäquate Arbeitsplatzausstattung lediglich im Zusammenhang der ergonomischen Standards von Präsenzarbeit einen hohen Stellenwert, während diese hinsichtlich des digitalen Home Office kaum eine Rolle gespielt hat. Zu Recht stellt die Begründung der Novellierung der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) daher fest, dass „die fehlenden Vorgaben und Maßstäbe für das Einrichten und Betreiben von Telearbeitsplätzen […] in den letzten Jahren in der Praxis zunehmend zu Konflikten zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten“ geführt haben (Bundesratsdrucksache 506/16 vom 23. September 2016).
Wer digitale Heimarbeit als Arbeitsform für eine größere Beschäftigtenzahl und einen nennenswerten Anteil der wöchentlichen Arbeitszeit etablieren möchte, muss sich den Vorgaben der 2016 um „Telearbeit“ ergänzten Arbeitsstättenverordnung stellen, die in zentralen Teilen auch für das digitale Home Office gelten:
„Da der Arbeitgeber prinzipiell eine gesetzliche Fürsorgepflicht und Verantwortung für die Sicherheit und die Gesundheit seiner Mitarbeiter hat, sind auch für ausgelagerte Telearbeitsplätze im Privatbereich klare Regelungen erforderlich. Der Arbeitgeber hat aber nur begrenzte Rechte und Möglichkeiten, die Arbeitsumgebung im Privatbereich zu beeinflussen. Deshalb wird der Anwendungsbereich der Verordnung in Bezug auf Telearbeitsplätze im Wesentlichen auf Anforderungen für Bildschirmarbeitsplätze beschränkt. Dabei steht die Einrichtung und Ausstattung des Bildschirmarbeitsplatzes mit Mobiliar, sonstigen Arbeitsmitteln und Kommunikationsgeräten im Vordergrund. Es gelten künftig für Telearbeitsplätze daher nur die Anforderungen des § 3 (Gefährdungsbeurteilung) bei der erstmaligen Beurteilung der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsplatzes, der § 6 (Unterweisung) und die Nummer 6 des Anhangs der Verordnung (Maßnahmen zur Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen).“
(Bundesratsdrucksache 506/16 vom 23. September 2016)
Es ist leicht einzusehen, dass sich aus diesen Rahmenbedingungen zahlreiche Folgefragen ergeben. Wie kann die Kommune den Vorgaben der Arbeitsstättenverordnung auch im Privatbereich gerecht werden? In welchen Fällen muss sie selbst die technischen Voraussetzungen schaffen oder digitales Home Office ohne deren Vorliegen versagen? Wie verhält es sich mit der Verfügbarkeit bzw. Bereitstellung ergonomischen Mobiliars? Unter welchen Bedingungen ist digital unterstützte Heimarbeit bei Berücksichtigung der Auflagen überhaupt finanzierbar? Die Beantwortung dieser Fragen hängt nicht zuletzt von den Vereinbarungen ab, die mit der örtlichen Personalvertretung im Rahmen der bestehenden Gestaltungsspielräume getroffen werden (vgl. hierzu auch den Abschnitt Recht & Compliance).
Neben den oben diskutierten Aspekten der Ausstattung digitaler Heimarbeitsplätze im diffizilen Spannungsfeld zwischen dem Mach- und Finanzierbaren einerseits und den gesetzlichen Vorgaben andererseits stellen sich unter dem Blickwinkel „Technik & Logistik“ jedoch auch verschiedene weitere, sehr konkrete Fragen.
Zum einen ist zu klären, welche Plattform für die ortverteilte Online-Kollaboration der Beschäftigten genutzt werden soll. Sind es – wie vielfach in der von CORONA erzwungenen Phase des digitalen Home Office – unterschiedliche Werkzeuge, die eher zufallsgesteuert oder je nach Vorerfahrung der Beteiligten ausgewählt werden? Auch wenn die gängigen Plattformen (hier sei nur exemplarisch auf die Marktführer MS Teams, Skype, Zoom und Webex verwiesen) verschiedene Vor- und Nachteile aufweisen, erscheint eine Beschränkung seitens der jeweiligen Kommune sinnvoll.
Die Begrenzung auf ein bis zwei Tools empfiehlt sich dabei schon alleine deshalb, weil nur so eine geordnete und wirkungsvolle Qualifikation und Betreuung der Anwender*innen im Home Office gewährleistet werden kann. Im Übrigen verringert es erfahrungsgemäß die Akzeptanz der Online-Kollaboration grundsätzlich, wenn Beschäftigte unterschiedliche Werkzeuge alternierend nutzen sollen. Man stelle sich etwa vor, Vermerke müssten mit verschiedenen Textverarbeitungssystemen bearbeitet werden …
Prozesse & Organisation
Häufig war in den letzten Monaten davon die Rede, das Arbeiten im digital unterstützten Home Office habe in Wirtschaft und Verwaltung einen nachhaltigen Digitalisierungsschub ausgelöst. Dies trifft zweifellos zu, wobei die maßgebliche Dynamik aber nicht von der Nutzung der Online-Kollaboration als solcher ausgeht.
Viel wirkmächtiger und damit nachhaltiger wird die Digitalisierung dadurch beschleunigt, dass medienbruchfreie digitale Prozesse und die ortsunabhängige Verfügbarkeit digitaler Daten und Dokumente die grundlegende Voraussetzung für eine effiziente digitale Heimarbeit bilden. Das durch CORONA erzwungene massenhafte digitale Home Office hat die Defizite hinsichtlich der Durchgängigkeit digitaler Prozesse und der digitalen Verfügbarkeit von Akten und Dokumenten wie durch ein Brennglas in den Fokus gerückt.
Dem Autor sind schleswig-holsteinische Kommunen bekannt, für die diese zum Teil ernüchternde Erfahrung der Auslöser ist, in naher Zukunft verwaltungsweit Dokumentenmanagementsysteme einzuführen. Diese Systeme sollen nicht nur den ortsunabhängigen Zugriff auf Dokumente ermöglichen, sondern auch deren Bearbeitung und Geschäftsgang elektronisch steuern und lückenlos dokumentieren. Die Digitalisierungspotenziale sind gerade in diesem Bereich vielerorts bedeutend und nicht in kurzer Zeit zu heben.
Umso mehr stellt sich als Randbedingung der digital unterstützten Heimarbeit die Frage, an welchen Arbeitsplätzen bzw. für welche Aufgaben der Digitalisierungsgrad bereits heute ausreicht, um in größerem Umfang Arbeiten zu Hause zu erledigen. Die Antwort auf diese Frage, die ein Nutzungskonzept für das digitale Home Office zu klären hat, dürfte in den Kommunen so unterschiedlich sein wie der im Zuge des digitalen Wandels bereits erreichte Stand.
Ein durchaus auch organisatorisch relevanter Aspekt ist ferner die Frage, ob bei einem weiterhin hohen bzw. perspektivisch sogar aufwachsenden Anteil digitaler Heimarbeit die Anzahl der Präsenzarbeitsplätze verringert werden soll, da der ortsunabhängige Zugriff auf digitale Verfahren, Dokumente und Daten in Verbindung mit innovativen Konzepten der gemeinsamen Nutzung eines Arbeitsplatzes durch mehrere Beschäftigte (Desk Sharing) oder von Work Spaces mit Arbeitsplätzen ohne fest zugeordnete Mitarbeiter*innen die hierfür erforderlichen Voraussetzungen schafft.
Dabei soll nicht verkannt werden, dass dies von einem strukturellen Kulturwandel in den Verwaltungen begleitet werden muss, der mit der Tradition einer festen Arbeitsplatzzuordnung – jedenfalls in weiten Teilen der Verwaltungsaufgaben – bricht. Ganz praktisch sei hier angemerkt, dass die von der Arbeitsstättenverordnung geforderte aufgabenadäquate, von der Kommune bereitzustellende Ausstattung digitaler Heimarbeitsplätze kaum zu finanzieren sein dürfte, wenn die Anzahl der gleichartig auszustattenden Präsenzarbeitsplätze unverändert bleibt.
Führung & Controlling
Die aktuellen Führungskonzepte für die Verwaltung stellen zumeist auf Präsenzarbeit ab. So entfallen bei digitaler Heimarbeit etwa kurzfristige persönliche Rücksprachen und der spontane, aber wichtige Austausch in Fluren, Teeküchen, Kantine oder am Rande von Besprechungen. Auch das von vielen erfolgreichen Führungskräften verfolgte Konzept des „Management by Wandering Around“ (Tom Peters) verliert seine Praxistauglichkeit mit einer zunehmenden Zahl auswärtig Arbeitender.
Handlungsempfehlungen für die „Führung auf Distanz“, wie sie bei digitalem Home Office erforderlich ist, müssen dagegen erst noch entwickelt werden. Gleichwohl gibt es hierfür bereits valide Ansatzpunkte in der Führungskultur vieler Kommunen, in denen das Management by Objectives (Führung über Zielvorgaben) zumindest als Leitbild des Managements bereits seit längerem propagiert wird. Wichtig ist jedoch, dieses Führungsparadigma im Hinblick auf das digitale Home Office verstärkt in die Verwaltungspraxis einzuführen und „einzuüben“.
In dieser Hinsicht befördert das digitale Home Office in zu begrüßender Weise eine Entwicklung, die das Bild des anleitungsbedürftigen Untergebenen hinter sich lässt und die Führungskraft als Primus inter Pares ihres Teams versteht, die die Mitarbeiter*innen auf Augenhöhe wertschätzend anspricht und deren Leistungsfähigkeit und Engagement vorwiegend am erzielten Arbeitsergebnis festmacht.
Insofern ist es eine wichtige Anforderung an ein kommunales Nutzungskonzept, den Gestaltungsrahmen für die „Führung auf Distanz“ zu konkretisieren. Dabei ist vor allem zu klären, wie Erreichbarkeit und Produktivität auch im Home Office gewährleistet werden können. Nicht vergessen werden darf dabei, dass diese veränderten Paradigmen sich nicht allein in einer Änderung organisatorischer Regeln konkretisieren sollten. Wichtig ist v. a., durch Qualifizierungs- und ggf. ergänzende Coachingmaßnahmen sowie regelmäßige gemeinsame Reviews von Führungskräften und Beschäftigten das veränderte Führungskonzept im Verwaltungsalltag dauerhaft zu etablieren.
Recht & Compliance
So vorteilhaft und damit erstrebenswert die durchgängige Digitalisierung von Prozessen, Dokumenten und Daten als Voraussetzung weitreichender Gestaltungsoptionen des digitalen Home Office auch sein mag: Ihre Grenze findet die Heimarbeit in den Auflagen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die selbstverständlich nicht zwischen Präsenz- und Heimarbeitsplätzen unterscheidet.
Auch (und gerade) für die Arbeitssituation im Home Office ist etwa zu klären, durch welche technisch-organisatorischen Maßnahmen eine Kenntnisnahme von datenschutzrelevanten Informationen durch unbefugte Dritte vermieden werden kann. Hierbei geht es nicht nur um Daten, die mit IT-Verfahren am heimischen Monitor und damit ggf. einsehbar für Unbefugte erfasst, abgerufen oder verarbeitet werden, sondern auch um personenbezogene Informationen, die Dritten als Ohrenzeugen von Telefonaten zur Kenntnis gelangen.
Die ohnehin für die Verarbeitung datenschutzrelevanter Informationen gemäß Art. 35 DSGVO gebotene Datenschutzfolgeabschätzung ist für ein im Home Office genutztes IT-Verfahren um die für diese Arbeitsform spezifischen „zur Bewältigung der Risiken geplanten Abhilfemaßnahmen, einschließlich Garantien, Sicherheitsvorkehrungen und Verfahren, durch die der Schutz personenbezogener Daten sichergestellt“ wird, zu erweitern (Art. 35 DSGVO, (7) d).
Ein weiterer rechtlicher Aspekt, der bereits angesprochen wurde, betrifft die für eine regelmäßige Arbeit im Home Office erforderliche Anpassung der arbeitsrechtlichen Regelungen. Diese gehen bislang zumeist von Präsenzarbeit aus. So sind zentrale Regelungen zur Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses, z. B. die Zeiterfassung, unter Home-Office-Bedingungen nicht umsetzbar und müssen daher erweitert bzw. angepasst werden. Die Herausforderung besteht dabei darin, flexiblere Festlegungen für die Heimarbeit zu treffen, ohne die weiterhin (ganz überwiegend) vor Ort arbeitenden Beschäftigten zu benachteiligen.
Ein gänzlich anderer rechtlicher Aspekt der digitalen Heimarbeit verbindet sich mit der Frage, wie die Kommune selbst zu der durch das E-Government-Gesetz des Bundes verfolgten, in wichtigen Teilen durch das Online-Zugangsgesetz (OZG) konkretisierten Zielstellung beitragen kann, mit technologischen Mitteln „alle Funktionen der Schriftform“ abzulösen.
Denn in vielen Fällen beruht das Schriftform-Erfordernis (bzw. die Notwendigkeit eines persönlichen Erscheinens des Antragstellers) nicht auf gesetzlichen und damit zwingenden Vorgaben, sondern auf Festlegungen der Kommune selbst. Eine Überprüfung der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit dieser kommunalen Regelungen dient selbstverständlich zunächst dazu, die Verwaltungsprozesse als solche effizienter und kundenfreundlicher zu gestalten. Ein wichtiger Nebeneffekt ergibt sich hierdurch jedoch auch für das digitale Home Office, weil die größere Durchgängigkeit der Prozessdigitalisierung dem ortsverteilten Arbeiten entgegenkommt.
Kultur & Motivation
Auch wenn nach Einschätzung aller Experten absehbar ist, dass digitale Heimarbeit in der Zukunft einen gleichberechtigten, wenn nicht sogar privilegierten Platz neben Präsenzarbeit einnehmen wird, steht es jeder Kommune natürlich frei, die Dynamik dieser Entwicklung zu steuern. Ist das digitale Home Office Bestandteil und Ziel der kommunalen Modernisierungs-Agenda im Wettbewerb um die von allen gesuchten Fachkräfte und Leistungsträger und als Beitrag zur Verringerung des klimaschädlichen Individualverkehrs? Oder überwiegt die Skepsis, durch digitale Heimarbeit könnten Arbeitsqualität, Produktivität oder Kommunikationskultur Schaden nehmen?
In ihrem Nutzungskonzept für digitales Home Office sollte sich eine Kommune zu diesen Grundsatzfragen positionieren, da sich aus den Antworten wichtige Leitplanken für die Ausgestaltung der Home-Office-Regelungen ergeben: Eher aufgeschlossen oder restriktiv? Orientiert an Home Office als Ausnahme- oder Regelfall?
Eine wichtige Frage schließt sich hieran an. 42 % aller Bundesdeutschen leben in Single-Haushalten (Statistisches Bundesamt, 2018). Nicht jedes Umfeld eines Beschäftigten verlangt diesem die Vereinbarkeit von familiären und beruflichen Verpflichtungen ab. Und nicht jede Mitarbeiterin wird durch die Aussicht motiviert, in den heimischen vier Wänden zu arbeiten, wenn der persönliche Austausch mit den Kolleg*innen einen wichtigen, vielleicht sogar den einzigen sozialen Bezugsrahmen darstellt. Hinzu kommen Beschäftigte, die den kurzen Weg zum Chef im Nachbarbüro schätzen (oder benötigen), um die ihnen gestellten Aufgaben effizient und erwartungskonform zu bearbeiten.
Diese wenigen Beispiele zeigen, dass sich Home Office nicht für jeden gleichermaßen eignet und auch nicht auf alle Beschäftigten ohne Ausnahme motivierend wirkt. In jedem Fall sollte daher in einem Nutzungskonzept kein Handlungsdruck in Richtung digital unterstützter Heimarbeit erzeugt werden. Es ist auch der Eindruck zu vermeiden, die kreativen, flexiblen und leistungsfähigen Köpfe arbeiteten künftig zu Hause, wohingegen die Übrigen nur unter Präsenzbedingungen produktiv sind. Hier ist seitens des Managements Fingerspitzengefühl gefragt, um einer „Zwei-Klassengesellschaft“ der „Innovativen“ und der „Traditionalisten“ vorzubeugen.
Moderation & Kommunikation
Jeder, der über eigene praktische Erfahrung mit Telefon- oder Videokonferenzen verfügt, weiß um die diesen Formaten eigene Spezifik hinsichtlich Moderation und Kommunikation. Ein wichtiges Regelungsfeld ist etwa die Dauer der Redebeiträge einzelner Teilnehmer*innen. Ist deren zeitliche Begrenzung im Interesse aller Beteiligten bereits bei persönlichen Treffen mitunter schwierig, so verschärft sich das Problem deutlich, wenn kein Sichtkontakt zwischen den Teilnehmenden besteht und der für Beiträge mit Überlänge Verantwortliche nicht die körpersprachlichen Anzeichen eines nachlassenden Interesses der Gruppe wahrnimmt.
Hier kann es hilfreich sein, einen Moderator zu bestimmen, der im Vorfeld des virtuellen Termins eine Agenda abstimmt und verteilt sowie die inhaltlichen Ziele und Zeitanteile jedes TOP zu Beginn des Treffens definiert. Flankierend sind eine Festlegung und Überwachung der Maximallänge eines Wortbeitrags (Time Boxing) sowie ein Verfahren zur Anzeige eines Redewunsches sinnvoll. Einige Systeme bieten hier z. B. die Möglichkeit, einen Beitrag anzukündigen, in dem jeder Teilnehmende seinen Redewunsch auf dem Bildschirm für alle sichtbar über eine entsprechende Funktion anzeigen kann (symbolisiert durch eine gehobene Hand).
Auch die Nennung des Namens zu Beginn des eigenen Redebeitrags kann insbesondere bei virtuellen Meetings ohne Videounterstützung für die Orientierung aller Teilnehmenden sehr hilfreich sein, gerade in größeren Runden. Die Nutzung der Videofunktion trägt ein Übriges dazu bei, sich auch bei einem Online-Austausch der vertrauten Gesprächsatmosphäre eines persönlichen Treffens anzunähern und die Kommunikation durch eine „verringerte Distanz“ der Akteure zu befördern.
Neben den genannten Aspekten gibt es noch zahlreiche weitere praktische Empfehlungen für Online-Meetings, die unter dem Begriff „Netiquette“ zusammengefasst werden und in ihrer Summe einen wesentlichen Beitrag leisten können, um deren Effizienz und Akzeptanz zu verbessern. Es ist daher ratsam, einem Nutzungskonzept für digitales Home Office einen „Praxis-Leitfaden für die Vorbereitung, Durchführung und Ergebnissicherung von Online-Meetings“ beizufügen.
Abschließend sei noch auf ein Thema verwiesen, das insbesondere bei einem hohen Home-Office-Anteil an der Gesamtarbeitszeit zu berücksichtigen ist. Arbeitszufriedenheit ergibt sich nicht aus einer allein auf Effizienz reduzierten Aufgabenwahrnehmung. Auch im Home Office sollten daher Formate etabliert werden, die dem informellen Austausch zwischen den Kolleg*innen auch ohne konkrete berufliche Veranlassung eine Plattform bieten, etwa in Form eines obligatorischen gemeinsamen Online-Cafés am Ende einer Arbeitswoche oder eines kurzen morgendlichen Briefings
Fazit
Digital unterstütztes Home Office kann auch für die kommunalen Verwaltungen ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu einer durchgreifenden Modernisierung ihrer Arbeitsweise sein. Dieser Weg ist jedoch verwaltungsspezifisch auszugestalten. Pauschale Rezepte helfen bei der Umsetzung nur bedingt, da sich die Ausgangsvoraussetzungen, Rahmenbedingungen und Kulturen von Kommune zu Kommune unterscheiden.
Bei der Umsetzung eines qualifizierten Home-Office-Angebots für die Beschäftigten stellen sich jeder Verwaltung jedoch dieselben Fragen, über die dieser Beitrag einen Überblick vermittelt, auch wenn die Antworten unterschiedlich ausfallen mögen. In jedem Fall ist es aus Sicht des Autors für jede Kommune ratsam, alle einschlägigen Aspekte in einem Nutzungskonzept zu berücksichtigen und damit einen konkreten Rahmen für den weiteren Umgang mit der Arbeit im Home Office abzustecken.