Michael Salomo
© Stadt Heidenheim

Stimme aus der Basis

Wie junge Bürgermeister*innen die Politik gestalten (möchten)

Die kommunale Politik bildet das Fundament unserer parlamentarischen Demokratie und steht im direkten Austausch mit den Bürgerinnen und Bürger. Das Netzwerk Junge Bürgermeister*innen e.V. hat es sich vor diesem Hintergrund auf die Fahnen geschrieben, junge Amtsträger*innen zu fördern und zu vernetzen, sodass frischer Wind in die Verwaltung wehen kann. Doch wie gelingt es, möglichst viele Perspektiven einzufangen und als Sprachrohr der Menschen zu fungieren? Welche Impulse setzt das junge Netzwerk innerhalb der Verwaltung? Und wie gelingt die effektive Zusammenarbeit mit dem Bund, um etwa den demografischen Wandel und den Bedarf an bezahlbarem Wohnraum anzugehen? In einem VdZ-Interview liefert Michael Salomo, Oberbürgermeister in Heidenheim an der Brenz, Antworten.

Verwaltung der Zukunft: In unserer parlamentarischen Demokratie ist die kommunale Politik die Instanz, die dem Alltagsgeschehen sowie den Wünschen und Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger am nächsten ist. Wie organisieren Sie sich als Verein, um möglichst viele Perspektiven – insbesondere in Bezug auf Geschlecht, Herkunft und regionale Unterschiede – einzufangen und als Sprachrohr der Menschen zu fungieren?

Michael Salomo: Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sind vor Ort, sie haben viele Termine, in denen sie Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen begegnen, wie beispielsweise beim Einkaufen oder in Vereinen.

Michael Salomo ist seit 2021 Oberbürgermeister der Stadt Heidenheim an der Brenz sowie Bundesvorsitzender des Netzwerks Junge Bürgermeister*innen e.V. Der unabhängige Verein dient den Mitgliedern als Plattform und fachliche Instanz, um sich über die eigene Kommune hinaus auszutauschen und Herausforderungen gemeinsam anzugehen. „Jung" bedeutet in diesem Fall, dass der oder die Bürgermeister*in bei der letzten Wahl unter 40 Jahre alt gewesen sein muss, um Mitglied sein zu können.
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Wir sehen die Sorgen und Nöte der Bürgerinnen und Bürger im Einzelnen und direkt. Das Netzwerk Junger Bürgermeister*innen bildet eine Schnittmenge aus den Herausforderungen in Kommunen. Im Netzwerk findet ein reger kollegialer Erfahrungsaustausch statt, neue Ideen werden entwickelt und die jungen Amtsträgerinnen und Amtsträger führen inspirierende Diskussionen auch mit anderen Akteuren des kommunalen Umfelds. Jährlich findet die Jahreskonferenz des Netzwerkes in Berlin statt. Dort besteht zusätzlich die Möglichkeit zum persönlichen Austausch.

VdZ: Besonderen Wert legen Sie auf den Austausch mit der Bundespolitik. Diese darf Ihnen nach Artikel 109 des Grundgesetzes natürlich keine direkten finanziellen Mittel zur Verfügung stellen. In der Praxis findet der Dialog deshalb in der Regel mit dem jeweiligen Bundesland statt. Warum ist der Dialog mit der Bundesregierung dennoch unbedingt notwendig?

Salomo: Die Bundesregierung spielt eine entscheidende Rolle bei der Bereitstellung von finanziellen Mitteln und Ressourcen für die Kommunen. Von den Bundes- und Landespolitiker*innen muss das Konnexitätsprinzip¹, wie zum Beispiel in Artikel 71 Abs. 3 der Landesverfassung Baden-Württemberg fixiert, endlich zur Anwendung kommen. Wir müssen als Kommunen finanziell in der Lage sein, die in Grundgesetz Art. 28 Abs. 2 festgelegten Aufgaben unabhängig erfüllen zu können.

Viele politische Entscheidungen auf Bundesebene haben direkte Auswirkungen auf die Kommunen. Ein enger Dialog zwischen Kommunen und Bundesregierung ermöglicht den Kommunen, ihre Perspektive und Interessen einzubringen und sicherzustellen, dass die Umsetzbarkeit der Maßnahmen angemessen berücksichtigt wird.

Insgesamt ist der Dialog zwischen Kommune und Bundesregierung daher entscheidend, um eine effektive und bürgernahe Politikgestaltung sicherzustellen und die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger vor Ort zu verbessern.

VdZ: Wie könnte die Bundespolitik die Kommunalverwaltungen besser unterstützen, um ihre direkte Arbeit mit den Menschen vor Ort zu stärken? Bitte nennen Sie mir dafür drei konkrete Beispiele.

Salomo: Für die Bundespolitik kann die Kommune als Pegelmesser dienen, denn hier treten die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger zu Tage, da die Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner hier greifbar sind.

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Die Kommunalpolitik vor Ort kennt die Bedürfnisse, egal ob sozialer oder infrastruktureller Art, besser und kann gezielter die Bürgerinnen und Bürger abholen.

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Die Bundesregierung beziehungsweise die Landesregierungen sollten den Kommunen mehr finanzielle Mittel durch Zuweisung bereitstellen. Die Kommunalpolitik vor Ort kennt die Bedürfnisse, egal ob sozialer oder infrastruktureller Art, besser und kann gezielter die Bürgerinnen und Bürger abholen, als dies durch dezentral verwaltete allgemeingültige Förderprogramme möglich ist.

Die Bundesregierung muss bürokratische Hürden reduzieren, um die Arbeit der Kommunalverwaltungen zu erleichtern. Dazu könnten beispielsweise vereinfachte Genehmigungsverfahren und weniger Vorschriften gehören, damit die Kommunen flexibler und schneller auf Herausforderungen und die Menschen vor Ort reagieren können.

VdZ: Welche Impulse setzen Sie als Kollektiv für eine modernisierte und digitale (kommunale) Verwaltung? Inwieweit tragen Sie diese an andere Verwaltungseinheiten oder -ebenen heran?

Salomo: Innerhalb des Netzwerkes nutzen die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister verschiedene Plattformen, Apps und Messenger-Dienste. Sie stehen digital auf kurzen Wegen in Kontakt, ergänzend findet ein monatlicher Austausch per Online-Konferenz statt.

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Mit Ratschlägen und Erfahrungen tauschen sich die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister auch unter vier Augen aus – meist schnell, unbürokratisch und direkt.

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Formuliert beispielsweise ein Bürgermeister seine Herausforderung, reagieren die Kolleginnen und Kollegen, denn oft ist Gleiches oder Ähnliches auch gerade in anderen Kommunen ein aktuelles Thema.

Mit Ratschlägen und Erfahrungen tauschen sich die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister dann ergänzend natürlich auch unter vier Augen aus, meist schnell, unbürokratisch und direkt. Außerdem bietet das Netzwerk einen Podcast an – von den und für die jungen Bürgermeister. Zu hören sind interessante Gespräche zu Aktuellem, Informationen, Meinungen und gute Ideen.

VdZ: Sie schreiben auf Ihrer Webseite, dass Sie „Vorbilder zeigen und die Rahmenbedingungen für das Engagement, insbesondere junger Menschen, in allen relevanten Handlungsfeldern der Kommunalpolitik verbessern“ möchten. Inwiefern tragen Sie dazu bei, den Fachkräftemangel anzugehen und die Attraktivität der Kommunalpolitik zu steigern?

Salomo: Mit dem Netzwerk Junge Bürgermeister*innen möchten wir auch mit frischem Wind Vorbild sein und zeigen, dass sich der Einsatz für unsere Demokratie lohnt und wie wichtig die Kommunen in der Daseinsvorsorge sind, damit unser Alltagsleben funktioniert.

Um dem Fachkräftemangel entgegenzutreten ist es wichtig, dass die Verwaltung attraktive Ausbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten bietet, um qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen und langfristig zu binden. Gezielte Personalentwicklung und Karrierechancen müssen damit einhergehen, dass attraktive Arbeitsbedingungen geschaffen werden: Flexible Arbeitsmodelle, Familienfreundlichkeit und eine gute Work-Life-Balance in der Verwaltung, um Interesse bei Fachkräften zu wecken und diese in der Verwaltung zu halten. Hier kann man sich auch untereinander über Ideen und Aktionen in Kommunen austauschen.

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Das positive Image der Stadt führt dazu, dass die Kommunalpolitik als attraktiver und bedeutender Arbeitsbereich wahrgenommen wird, weg vom Image des „angestaubten“ Amts.

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Oft ist jungen Menschen die Vielfalt der Berufe in öffentlichen Verwaltungen nicht bewusst. Bei der Stadt Heidenheim haben wir die Kampagne „Aus Liebe zum Job“ gestartet. Auszubildende der Stadt werben mit ihren Gesichtern erfolgreich für die insgesamt 20 Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten bei der Stadt Heidenheim. Sie sind auf Plakaten, Postkarten, Flyern, einem Bus und den Social Media-Kanälen der Stadtverwaltung präsent. Das hat sich gelohnt, in einigen Bereichen erhalten wir wieder mehr Bewerbungen. Mit Social Media erreichten wir vor allem junge Menschen.

Auch die Digitalisierung der Verwaltung gestaltet Prozesse effizienter und schafft attraktive Arbeitsbedingungen. Bedeutsam sind auch die Öffentlichkeitsarbeit und Imagepflege. Das positive Image der Stadt führt dazu, dass die Kommunalpolitik als attraktiver und bedeutender Arbeitsbereich wahrgenommen wird, weg vom Image des „angestaubten“ Amts.

VdZ: Auf dem Zukunftskongress sprechen Sie im ZuKo-Forum „Das offene Ohr – Bundespolitik im Dialog mit jungen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern“. Welche Forderungen möchten Sie hier konkret an die Bundespolitik richten?

Salomo: Eine große Herausforderung ist der demografische Wandel, denn 1,7 Mio. Stellen werden bis 2030 im öffentlichen Dienst nicht besetzt sein.

Ich schlage eine Fokussierung auf die drei wichtigsten Themen vor, um zu beweisen, dass wir in der Lage sind, diese umzusetzen.

Der Glasfaserausbau, der Fachkräftemangel, die Zuwanderung – das alles sind Herausforderungen, die seit 20 Jahren nicht geregelt sind. Das ist sehr ärgerlich und führt auch dazu, dass das Vertrauen in die Politik verloren geht. Es wäre sinnvoll, wenn wir innerhalb aller Behörden mit durchgängigen Programmen und digitalen Akten kommunizieren könnten. Ein weiterer Vorschlag ist mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, der in öffentliche Hand gehört.


¹ Unter dem Konnexitätsprinzip wird im Staatsrecht der Grundsatz verstanden, dass Aufgaben- und Finanzverantwortung jeweils zusammengehören. Vereinfacht wird dies oft ausgedrückt mit dem Satz „Wer bestellt, bezahlt".

 

Salomo auf dem 10. Zukunftskongress Staat & Verwaltung

🗓️ 24. April 13:00 - 14:00 Uhr
➡️ Hier geht's zum Forum

Michael Salomo spricht am 24. Juni auf dem 10. Zukunftskongress in dem Forum „Das offene Ohr – Bundespolitik im Dialog mit jungen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern”.