„Die größte Herausforderung wird der erforderliche kulturelle Wandel sein”
Interview mit Bertram Geck und Tobias Schmitz zur GVG-Roadmap
Verwaltung der Zukunft: Können Sie genauer erläutern, wie die Roadmap erstellt wurde? Wie ist Ihr Projekt zustande gekommen und wie setzt sich das GVG-Forum Digitalisierung zusammen?
Bertram Geck: Im Rahmen einer Klausurtagung des GVG-Präsidiums wurde über die Etablierung eines neuen Forums zur Digitalisierung innerhalb der GVG beraten und darüber, was dieses Forum bewirken soll. Dabei wurde schnell klar: Wir möchten erarbeiten, welche gesetzgeberischen Veränderungen und Weichenstellungen es braucht, damit die digitale Transformation in der sozialen Sicherung an Fahrt gewinnen kann. Im GVG Forum Digitalisierung kommen Chief Digital Officer und Digitalverantwortliche unserer Mitglieder zusammen.
Tobias Schmitz: Im GVG Forum sind viele unterschiedliche Perspektiven vertreten: die der Arbeitgebenden, die der privaten Versicherungsbranche, die der Sozialversicherungen, die von Unternehmen, die von Kammern und Versorgungseinrichtungen und weiteren. Das Forum ist ein agiles Gremium – je nach Thema variiert der Kreis der Teilnehmenden. So kommen mal die Expertinnen und Experten für Cybersicherheit zusammen und mal die für das Onlinezugangsgesetz. Wir wollen im Forum den Austausch untereinander voranbringen.
VdZ: Welche Vorteile ergeben sich mit dieser Roadmap für die verschiedenen Parteien?
Tobias Schmitz: Mit der GVG Roadmap für eine digitale Transformation haben die beteiligten Akteurinnen und Akteure wichtige strategische Weichen gestellt und deutlich gemacht, wo man hinmöchte. Ein gemeinsames Ziel ist letzten Endes die Voraussetzung dafür, um sich auch gemeinsam auf den Weg zu machen.
Bertram Geck: Und gleichzeitig ist es interessant für die politisch Verantwortlichen, Positionen zu erhalten, die von einer Vielzahl von relevanten Akteuren aus dem Bereich der sozialen Sicherung geteilt werden. Die Roadmap ist somit ein konkretes und proaktives Angebot an die Politik. In jedem Fall auch ein Gesprächsangebot. Wir möchten darüber reden, wie es uns gelingen kann, die notwendigen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass der Sozialstaat handlungsfähiger werden kann. Nur so wird der Sozialstaat in Zukunft schneller auch von der Politik gewünschte Maßnahmen kurzfristig realisieren können.
VdZ: Wo sehen Sie nun die größten Herausforderungen bei der Umsetzung der vorgeschlagenen Reformen?
Bertram Geck: Unserem Ziel für mehr Bürgerfreundlichkeit kommen wir durch die Stärkung von Once Only näher. Damit in Zukunft Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen Angaben dem Staat nur einmal übermitteln müssen, brauchen wir die Etablierung von Standards, eine Überwindung des Prinzips, dass Steuerdaten nur von den Finanzbehörden genutzt werden dürfen und wir brauchen einen automatisierten Datenaustausch zwischen den Sozialversicherungen. Das sind alles Mammutaufgaben und Großprojekte. Sie sind aber erforderlich, um den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen an den Staat und seine Leistungen gerecht zu werden.
Tobias Schmitz: Die größte Herausforderung wird am Ende aber der erforderliche kulturelle Wandel sein. Es geht ja nicht darum, dass bestehende Papierformulare in Zukunft auf dem Handy in einem Onlineformular ausgefüllt werden können. Wenn wir bei Once Only ankommen wollen, müssen wir den Mut haben, Prozesse neu zu denken, Verantwortlichkeiten zu hinterfragen und zu verändern. Es braucht die Entschlossenheit, zu leichteren und verständlicheren Regelungen zu kommen. Der kulturelle „mind shift“ ist sicherlich die größte Herausforderung.
VdZ: Mit der Strategie „Digital First” muss wie in der Roadmap vermerkt auch die digitale Kompetenz der Bürger*innen aufgebaut werden. Wie kann dies geschafft werden?
Tobias Schmitz: Das ist definitiv ein Weg, der hier als Gesellschaft vor uns liegt. Neben der digitalen Kompetenz ist zunächst einmal aber auch die Usability wichtig. Wir müssen besser darin werden, gebrauchstaugliche Angebote zu schaffen. Aber auch dann wird es Menschen geben, die in der digitalen Welt Unterstützung brauchen. Wenn es uns gelingt, mehr Automatisierung im Bereich der Verwaltung zu erreichen, schafft dies auch weitere Kapazitäten für Unterstützungs- und Beratungsangebote.
Bertram Geck: Letzten Endes braucht es zur substanziellen Stärkung der Digitalkompetenz der Bürgerinnen und Bürger ganz viele Akteure von den Schulen bis hin zu den Arbeitgebenden.
In dem Moment, wo digitale Angebote aber auch neue Mehrwerte für die Nutzenden schaffen, steigt letzten Endes auch der Anreiz diese zu nutzen und sich hierfür ggf. auch Hilfe in der Familie oder der Nachbarschaft zu holen. Wenn es uns gelingt, durch digitale Angebote auch bessere Angebote zu schaffen, dann werden wir auch mehr Menschen gewinnen, die aktuell noch Berührungsängste gegenüber digitalen Angeboten haben.