Digitalpolitik mit der notwendigen Ernsthaftigkeit vorantreiben
Khan zur Digitalisierungsstrategie von Bündnis 90/Die Grünen
Im Zuge der Bundestagswahl 2025 stellt sich für VdZ eine Frage besonders deutlich: Welche Partei bringt die Digitalisierung und Modernisierung der öffentlichen Verwaltung am effektivsten voran?
Dafür sind wir ins Gespräch mit CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen gegangen. Misbah Khan präsentiert im zweiten Teil der Reihe die Pläne und Ambitionen von Bündnis 90/Die Grünen.
Verwaltung der Zukunft: Welche spezifischen Maßnahmen planen Sie, um die Digitalisierung und Modernisierung der Verwaltung voranzutreiben? Wie sollen diese Maßnahmen auch tatsächlich praktisch umgesetzt werden, und wie möchten Sie deren Finanzierung sicherstellen?
Misbah Khan: Wir müssen an den Weichen, die wir mit dem Onlinezugangsgesetz 2.0 stellten, weiterarbeiten und das Onlinezugangsgesetz zu einem Onlinegesetz weiterentwickeln. Dazu braucht es Veränderungen in der Governance wie eine zentral umsetzende Digitalagentur, ein Digitalministerium und ein Ende der Blockade der unionsgeführten Länder gegen effizientere Strukturen. So schaffen wir zentral entwickelte Basisdienste und interoperable Systeme. Wir müssen die zugrundeliegende Infrastruktur priorisieren und dabei die Expertise der Zivilgesellschaft einbinden. Derzeit läuft die Entwicklung in Bund und Ländern immer noch zu chaotisch. Nancy Faeser hatte die Verwaltungsdigitalisierung aber nicht nur politisch, sondern auch finanziell depriorisiert. Das geht nicht. In einem Digitalministerium müsste die Verwaltungsdigitalisierung in den Haushaltsverhandlungen immerhin nicht gegen Sicherheitspolitik konkurrieren.
Nancy Faeser hatte die Verwaltungsdigitalisierung aber nicht nur politisch, sondern auch finanziell depriorisiert. Das geht nicht.
VdZ: Was unterscheidet die Digitalisierungsstrategie Ihrer Partei von den Strategien anderer Parteien? Welche besonderen Stärken sehen Sie in Ihrem Ansatz?
Khan: Wir machen ein konkretes Angebot mit einem klaren Zielbild, der Deutschland-App. Damit hat die Digitalisierung bei uns bereits einen anderen Stellenwert. Andere Parteien bleiben da zu vage und haben in den letzten Jahren gezeigt, dass sie die Digitalisierung nicht ernst genug nehmen: Die Union durch ihre Blockade im Bundesrat und die SPD durch die Depriorisierung im Innenministerium. Unser Ansatz ist zudem nachhaltig durch die Einbeziehung ökologischer Aspekte sowie einen klaren Vorrang von Open Source.
VdZ: Wie möchten Sie den Erfolg von Digitalisierungsmaßnahmen messen? Welche Kennzahlen oder Benchmarks halten Sie für entscheidend, um Fortschritte transparent zu machen und öffentlich zu bewerten?
Khan: Mit den Änderungen im Onlinezugangsgesetz 2.0 haben wir erstmals eine Evaluation und ein systematisches Monitoring gesetzlich festgeschrieben. Hier sorgen wir durch allgemeine Kennziffern wie Verbreitung von digitalen Leistungen als auch durch Fragen der User-Experience für eine bessere und transparentere Entscheidungsgrundlage, um politisch nachsteuern zu können.
VdZ: Sehen Sie die Notwendigkeit für strukturelle Staatsreformen, um die Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen bei der Digitalisierung zu verbessern? Falls ja, welche Reformen halten Sie für dringend erforderlich?
Khan: Definitiv. Dies haben wir bereits im OZG 2.0 versucht, leider scheiterte das gerade am Widerstand aus Bayern. Hier braucht es eine andere Ernsthaftigkeit. Zum einen müssen die Bund-Länder Strukturen schlanker werden. Selbstverständlich braucht es Dialog, aber kein Vetorecht für jedes Bundesland, wenn wir Standards entwickeln. Zugleich müssen endlich die Dresdner Forderungen umgesetzt werden, insbesondere, dass bei Leistungen, bei denen die Kommunen faktisch sowieso keinen Handlungsspielraum haben, diese zentral digital vom Bund angeboten werden. So sparen wir Ressourcen und Geld, das gerade in unseren überlasteten Kommunen dringend gebraucht wird.
VdZ: Welche konkreten Pläne hat Ihre Partei für den Einsatz von KI in der Verwaltung und Gesellschaft? Wie gehen Sie mit der Frage um, ob und wie KI reguliert werden sollte?
Khan: Die Bundesregierung hat bereits mit der Projektgruppe KI einen wichtigen Grundstein gelegt für eine koordinierte Verwendung von KI in der Bundesverwaltung. Hier muss eine noch bessere Steuerung erfolgen, um Mehrfachentwicklungen zu vermeiden und Synergien zu nutzen. Zudem braucht es ein gutes und umfangreiches Transparenzregister. Insgesamt wollen wir die diskriminierungsfreie Nutzung vorantreiben, wo es sinnvoll ist.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Wir sind immer noch weit entfernt von einer automatisierten Verwaltung. Bevor wir komplexe Modelle bauen, können wir auch durch einfache Digitalisierung schon viel erreichen. Für die Nutzung von KI braucht es schließlich vor allem auch: Sichere und leistungsfähige Infrastruktur sowie eine bessere Digitalisierung der Verwaltung. Denn ohne Daten keine KI-Anwendungen. Und die liegen immer noch nicht strukturiert vor.
VdZ: Befürworten Sie die Einrichtung eine Art eigenständigen Digitalministeriums oder weiteren Strukturreformen, oder halten Sie die Zuständigkeit in den bisherigen Ministerien für zielführender? Welche Ansätze schlagen Sie vor, um die bisherige Umsetzung zu verbessern - wäre eine Digitalagentur effektiv?
Khan: Wir brauchen eine Reform der Strukturen, sowohl in der Governance als auch in der Umsetzung. Zum einen müssen wir die zersplitterten Strukturen zwischen diversen Behörden, aber auch den Ministerien besser bündeln, um Doppel- und Dreifachentwicklungen zu vermeiden und bessere Einheitlichkeit herzustellen. Hier kocht jeder noch zu sehr eigene Süppchen. Dazu braucht es eine Digitalagentur wie in Großbritannien, um Expertise zu bündeln. Darüber hinaus braucht es eine Unterstützung von Strukturen wie dem NExT-Netzwerk.
In Bezug auf die Governance ist aus unserer Sicht eine Aufwertung der Digitalpolitik notwendig. Ein Digitalministerium kann hier Gewicht an den Kabinettstisch bringen und für mehr Sichtbarkeit sorgen. Alternativ wäre auch eine Staatsministerin mit Budget und Sitz am Kabinettstisch eine deutliche Verbesserung.
VdZ: Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass die Digitalisierung und Modernisierung bislang nicht die zentrale Rolle in der praktischen Politik spielt? Was müsste organisatorisch getan werden, damit dieses Thema direkt an der Staatsspitze – etwa bei dem*der Bundeskanzler*in – verankert wird?
Khan: Ich will nicht alles schlecht reden, es gibt viele gute Digitalisierungsprojekte in der aktuellen Bundesregierung. Aber weder Innenministerin Nancy Faeser noch Bundeskanzler Olaf Scholz haben dem Thema die angemessene Bedeutung geschenkt. Weshalb sie das nicht wollten, muss man sie fragen. Angesichts der Größe der Herausforderung werden wir nicht daran vorbeikommen, das Thema prominenter zu platzieren – sei es im Kanzleramt oder als eigenes Ministerium. Wir treten jetzt zur Wahl mit einem klaren Angebot an, Digitalpolitik mit der notwendigen Ernsthaftigkeit voranzutreiben und ich kann nur an alle Wählerinnen und Wähler appellieren, das auch einzufordern.