Maximilian Funke-Kaiser
© Simone M. Neumann

"Mutiger als die anderen Parteien"

Funke-Kaiser zur Digitalisierungsstrategie der FDP

Die Digitalisierung der Verwaltung in Deutschland kommt nur langsam voran. Doch welche konkreten Maßnahmen plant die FDP, um diesen Prozess zu beschleunigen? Im Interview mit Verwaltung der Zukunft spricht Maximilian Funke-Kaiser, digitalpolitischer Sprecher der FDP, über seine Vision für eine moderne Verwaltung, die Rolle der künstlichen Intelligenz und die Notwendigkeit einer Föderalismusreform.

Im Zuge der Bundestagswahl 2025 stellt sich für VdZ eine Frage besonders deutlich: Welche Partei bringt die Digitalisierung und Modernisierung der öffentlichen Verwaltung am effektivsten voran?

Dafür haben wir das Gespräch mit CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen gesucht. Maximilian Funke-Kaiser präsentiert im ersten Teil der Reihe die Pläne und Ambitionen der FDP.

Verwaltung der Zukunft: Welche spezifischen Maßnahmen planen Sie, um die Digitalisierung und Modernisierung der Verwaltung voranzutreiben? Wie sollen diese Maßnahmen auch tatsächlich praktisch umgesetzt werden, und wie möchten Sie deren Finanzierung sicherstellen?

Maximilian Funke-Kaiser: Wir müssen zunächst anerkennen, dass wir in den letzten drei Jahren wichtige Fortschritte erzielt haben. Mit dem Onlinezugangsgesetz 2.0 haben wir beispielsweise einen Rechtsanspruch auf digitale Verwaltung auf Bundesebene eingeführt. Außerdem haben wir mit der Einführung eines Paragraphen zu einheitlichen Standards den Weg zu einer Standardisierung von Verwaltungsdienstleistungen geebnet.

Jetzt müssen wir vom dritten in den siebten Gang hochschalten. Konkret wollen wir die Datengrundlage reformieren, indem wir auf das Prinzip einer Government-Plattform setzen. Das bedeutet konsequenterweise auch, dass wir die Registermodernisierung in ihrer bisherigen Form beenden müssen, denn sie ist gescheitert und hat keine Zukunft.

Wir möchten außerdem künstliche Intelligenz stärker in die Verwaltung einbinden – das wird möglich, wenn wir mit besseren Daten arbeiten können. Neben den notwendigen Maßnahmen im Bereich der Infrastruktur brauchen wir auch eine grundlegende Föderalismusreform. Es muss diskutiert werden, wie wir die Digitalisierung stärker auf Bundesebene bündeln können.

»

Wir müssen die Registermodernisierung in ihrer bisherigen Form beenden – denn sie ist gescheitert und hat keine Zukunft.

«

VdZ: Was unterscheidet die Digitalisierungsstrategie Ihrer Partei von den Strategien anderer Parteien? Welche besonderen Stärken sehen Sie in Ihrem Ansatz?

Funke-Kaiser: Wir sind mutiger als andere Parteien und hinterfragen auch bestehende Projekte kritisch – zum Beispiel die Registermodernisierung. Unser Ziel ist es, nicht nur die Digitalisierung voranzutreiben, sondern auch eine grundlegende Verschlankung der deutschen Verwaltungsstrukturen anzugehen.

Dazu gehört, Doppelstrukturen abzubauen, etwa durch die Zusammenlegung von Ministerien und nachgelagerten Behörden. So wollen wir die Exekutive und die Verwaltung insgesamt so fit machen, dass eine digitale Verwaltung tatsächlich Wirkung entfalten kann.

VdZ: Sehen Sie die Notwendigkeit für strukturelle Staatsreformen, um die Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen bei der Digitalisierung zu verbessern? Falls ja, welche Reformen halten Sie für dringend erforderlich?

Maximilian Funke-Kaiser auf dem 8. Zukunftskongress Staat & Verwaltung 2022.
© Simone M. Neumann

Funke-Kaiser: Ich halte es für absolut notwendig, dass wir eine Föderalismusreform bekommen. Das hat sich auch in den Gesetzesverhandlungen zum OZG 2.0 gezeigt. Dort wurde deutlich, was passiert, wenn zu viele Akteure mitreden wollen.

Allein auf Bundesebene haben wir anderthalb Jahre lang über das Gesetz verhandelt. Am Ende ist es dann nicht an sachlichen Problemen gescheitert, sondern an politischen Befindlichkeiten – insbesondere des Freistaats Bayern. Es ging weniger um konkrete Einwände gegen das Gesetz, sondern darum, der Ampelkoalition ein gutes Gesetz schlichtweg nicht zu gönnen.

Deshalb müssen wir, wenn wir es mit der Verwaltungsdigitalisierung ernst meinen, ehrlich sein: Wir brauchen eine Bündelung der Verantwortung auf Bundesebene.

VdZ: Befürworten Sie die Einrichtung einer Art eigenständigen Digitalministeriums oder weiteren Strukturreformen, oder halten Sie die Zuständigkeit in den bisherigen Ministerien für zielführender? Welche Ansätze schlagen Sie vor, um die bisherige Umsetzung zu verbessern - wäre eine Digitalagentur effektiv?

Funke-Kaiser: Ja, das ist ein ganz wesentlicher Punkt, den wir schon seit 2017 fordern, und es bleibt eine zentrale Forderung von uns. Wir haben inzwischen gesehen, was passiert, wenn man die Digitalisierung in einer Legislaturperiode stärker zentralisiert und bündelt – das hat gut funktioniert. Aber wir könnten noch schneller sein, insbesondere wenn wir die Verwaltungsdigitalisierung aus dem Bundesinnenministerium herausnehmen. So funktioniert das nicht.

Wir haben in den Abteilungen selbst sehr gute Leute, und diese sollten in ein eigenes Digitalministerium überführt werden, wo Innovation und Modernität im Fokus stehen.

Eine Digitalagentur ist auch Teil unserer Forderung, die wir bereits veröffentlicht haben. Neben einem Digitalministerium wollen wir eine entsprechende Digitalagentur schaffen, die alle Umsetzungsarbeiten übernimmt. Aktuell ist vieles auf die Bundesnetzagentur und den Digital Service verteilt – etwa die Regulierung von Telekommunikation oder die Marktüberwachung im Zusammenhang mit dem AI Act. All das ließe sich in einer zentralen Digitalagentur zusammenführen.

Digitalpolitik mit der notwendigen Ernsthaftigkeit vorantreiben
Misbah Khan

Digitalpolitik mit der notwendigen Ernsthaftigkeit vorantreiben

Khan zur Digitalisierungsstrategie von Bündnis 90/Die Grünen

VdZ: Wie möchten Sie den Erfolg von Digitalisierungsmaßnahmen messen? Welche Kennzahlen oder Benchmarks halten Sie für entscheidend, um Fortschritte transparent zu machen und öffentlich zu bewerten?

Funke-Kaiser: Im Bereich der digitalen Infrastruktur haben wir tatsächlich Verbesserungen erzielt. Das zeigen auch die Zahlen: Die mobile Netzabdeckung in Deutschland ist europaweit mit 5G führend – das wird oft ein wenig übersehen. Auch beim Ausbau der Glasfaserinfrastruktur kommen wir gut voran und werden unser Ziel, bis Ende dieses Jahres die Hälfte der Haushalte zu erreichen, sehr wahrscheinlich schaffen.

Wo es allerdings weniger gut aussieht, ist bei der Verwaltungsdigitalisierung. Warum? Weil wir relativ lange gebraucht haben, um das Onlinezugangsgesetz fertig zu verhandeln. Die Maßnahmen, die daraus resultieren, müssen jetzt erst einmal umgesetzt werden, bevor sie Wirkung zeigen können. Das bedeutet, dass die Messung von Erfolgen in der Verwaltungsdigitalisierung tendenziell länger dauert als in anderen Politikbereichen.

Gemessen wird der Fortschritt in der Verwaltungsdigitalisierung an verschiedenen Faktoren. Beispiele wären die Anzahl der Verwaltungsleistungen, die digital – und zwar vollständig digital – vom Bürger abgewickelt werden können, oder die Zahl der genutzten elektronischen beziehungsweise digitalen Identitäten.

VdZ: Welche konkreten Pläne hat Ihre Partei für den Einsatz von KI in der Verwaltung und Gesellschaft? Wie gehen Sie mit der Frage um, ob und wie KI reguliert werden sollte?

Funke-Kaiser: Wir müssen künstliche Intelligenz in die Verwaltung einbinden – allein schon aus der Notwendigkeit heraus, dass uns die Fachkräfte fehlen, um die Arbeit in der Verwaltung vollständig abzudecken. Das ist kein 'nice-to-have', sondern eine zwingende Notwendigkeit.

Wie wollen wir das umsetzen? Zunächst brauchen wir eine solide Grundlage – sprich: Wir müssen die Verwaltung digitalisieren und datenbasiert machen. Erst dann können wir KI sinnvoll einbinden. Das lässt sich in unterschiedlichen Bereichen anwenden, vor allem bei alltäglichen Verwaltungsaufgaben. Konkret wird man hier mit einem Anbieter eines Sprachmodells zusammenarbeiten, das in die Verwaltungsprozesse integriert wird. So könnten die Mitarbeiter der Verwaltung direkt darauf zugreifen. Das ist keine revolutionäre Idee – Baden-Württemberg macht das beispielsweise schon seit Jahren.

»

KI in die Verwaltung einzubinden, ist kein ‘nice-to-have’, sondern eine zwingende Notwendigkeit.

«

Ich sehe auch großes Potenzial, mit deutschen Unternehmen zusammenzuarbeiten, um hier deutsche Technologie und deutsches Know-how zu stärken. Was ich mir persönlich besonders wünsche, ist, die Verwaltung zu einer echten Service-Verwaltung weiterzuentwickeln. Das heißt, der Bürger sollte nicht zur Verwaltung gehen müssen, wenn er etwas braucht, sondern der Staat sollte von sich aus automatisiert Kontakt aufnehmen, wenn er etwas vom Bürger möchte.

Ein gutes Beispiel hierfür ist Estland: Wenn man dort ein Kind bekommt, erhält man automatisch eine E-Mail mit einer Anmeldung für den Kindergarten, verbunden mit einem Dankeschön dafür, dass man einen positiven Beitrag zum demografischen Wandel geleistet hat. Solche Prozesse kann ich mir auch hier sehr gut vorstellen. Dafür braucht es nicht zwingend KI – oft reichen einfache Algorithmen. Aber die Möglichkeit, durch datenbasierte Vorhersagen proaktiv zu handeln, bietet der Verwaltung einen enormen Nutzen.

VdZ: Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass die Digitalisierung und Modernisierung bislang nicht die zentrale Rolle in der praktischen Politik spielt? Was müsste organisatorisch getan werden, damit dieses Thema direkt an der Staatsspitze – etwa bei dem*der Bundeskanzler*in – verankert wird?

Funke-Kaiser: Ich kann hier erklären, wie wir es schaffen können, dass Digitalisierung wirklich ein Machtfaktor wird. Das erreichen wir nicht, indem wir es im Bundeskanzleramt ansiedeln, sondern indem wir das Ganze mit einem eigenständigen Haushalt ausstatten. Das bedeutet: Ein Digitalministerium bekommt nur dann politische Durchsetzungskraft, wenn man ihm auch einen entsprechend großzügigen Digitalhaushalt zur Verfügung stellt.

Wenn man das noch mit Vetorechten verbindet – was Teil unseres Konzepts ist – und klarstellt, dass das Digitalministerium für alle Digitalprojekte des Staates verantwortlich ist, dann muss es immer mit ins Boot geholt werden. Wer am Ende die Mittel bereitstellt, hat die größte Macht.

In so einem Modell brauchen wir die Verantwortung nicht auf die Ebene des Bundeskanzleramts zu ziehen. Das Kanzleramt ist ja per Definition eine Institution, die die Fäden zusammenhält, sich aber nicht dezidiert nur um ein einzelnes Thema kümmert.

VdZ: Vielen Dank für das Interview.