Verwaltung der Zukunft: Wie wird im Freistaat Sachsen die OZG-Umsetzung koordiniert? Was sind Ihre Leuchtturmprojekte?
Popp: Die Umsetzung des OZGs und die Digitalisierung der Verwaltung ist im Freistaat Sachsen Chefsache und wird durch die Sächsische Staatskanzlei koordiniert. Als Staatssekretär mit Kabinettsrang ist das Thema auch unmittelbar im höchsten Regierungsgremium verortet. Dabei setze ich auf eine enge Zusammenarbeit mit den Fachressorts und der kommunalen Ebene. Im Freistaat sind wir bei der OZG-Umsetzung inzwischen auf gutem Weg und haben Fahrt aufgenommen.
Zwei unserer Leuchttürme sind dem Themenfeld Recht und Ordnung zuzuordnen. Gemeinsam mit dem Saarland und Rheinland-Pfalz haben wir die Online-Wache bereitgestellt, wo Bürgerinnen und Bürger Anzeigen online bei der zuständigen Polizeiwache stellen können. Außerdem ist es uns gelungen, eine Softwarelösung für ein online-Fundbüro zu schaffen, das deutschlandweit alle Kommunen auf „Nova Find“ abrufen können.
Darüber hinaus herrscht bei uns selten Stillstand, wir entwickeln unsere Online-Dienste beständig weiter und bieten sie anderen Ländern zur Nachnutzung an. Auf unserem landesweiten Serviceportal Amt24 stehen mittlerweile über 90 Verwaltungsleistungen bereit, die auch die Kommunen und Landkreise nutzen können. Ein Beispiel ist der Wohngeldantrag, der fast flächendeckend in Sachsen verfügbar und vollständig digitalisiert ist.
Außerdem unterstützen wir die Kommunen. Wir fördern die Nachnutzung von EfA-Leistungen, den Einkauf von Software-Lösungen und die Entwicklung eigener Online-Dienste, die dann zentral für alle sächsischen Kommunen bereitgestellt werden. Mit dem Projekt „Digital-Lotsen-Sachsen“ stärken wir gemeinsam mit dem Sächsischen Städte- und Gemeindetag die Mitarbeitenden in den Verwaltungen vor Ort, damit sie Digitalisierungsprojekte besser planen und schneller umsetzen können.
VdZ: Welche Strategien verfolgt der Freistaat bei der Digitalisierung?
Popp: Bei der Digitalisierung der Verwaltung kommt es aus meiner Sicht auf einen ganzheitlichen und planvollen Ansatz an. Daher hat das sächsische Kabinett im November 2023 die Strategie zur digitalen Transformation der sächsischen Staatsverwaltung beschlossen. Die Strategie definiert Ziele und setzt Leitplanken für die digitale Transformation der sächsischen Staatsverwaltung bis 2030. Im Mittelpunkt stehen fünf Handlungsfelder: Strategische Steuerung, Digitale Leistungserbringung, Digitale Aufgabenerfüllung und Zusammenarbeit, Digitale Kompetenzen, Digitale Infrastruktur und Souveränität.
VdZ: Welche Abläufe sind digital, an welchen Stellen kommt noch Papier zum Einsatz?
Popp: Es ist uns gelungen in den vergangenen Jahren rund 18.000 Arbeitsplätze in der Staatsverwaltung an die elektronische Vorgangsbearbeitung anzubinden. Im nächsten Jahr sollen 3.000 weitere Arbeitsplätze hinzukommen. Das ist eine gute Voraussetzung. Um vollständig digital zu arbeiten, bedarf es neben der digitalen Kommunikation mit der Behörde auch der Anbindung an Fachverfahren. Hier liegt derzeit der Schwerpunkt unserer Arbeit.
VdZ: Wie ist der Stand des Landesrechenzentrums in Sachsen?
Wir wollen ein neues Landesrechenzentrum bauen, auf dem wir eine zentrale IT-Plattform etablieren und die IT-Verfahren der Landesverwaltung betreiben.
Popp: Eine erfolgreiche Digitalisierung geht einher mit einer Konsolidierung und Zentralisierung. Wir wollen ein neues Landesrechenzentrum bauen, auf dem wir eine zentrale IT-Plattform etablieren und die IT-Verfahren der Landesverwaltung betreiben. Das ist einerseits erforderlich, um die knappen Ressourcen an IT-Fachkräften zu schonen. Andererseits hilft es uns, effizienter und schlagkräftiger im Bereich der Informationssicherheit zu werden. Im Ergebnis trägt das mittel- bis langfristig zu einer Verbesserung der IT-Sicherheit und mehr digitaler Souveränität bei.
Die Entwurfsplanungen zum Bau des Rechenzentrums haben in diesem Jahr begonnen. 2029 soll Betriebsbeginn sein.
VdZ: In welchem Umfang arbeiten Sie mit der Cloud? Welche Anforderungen und Ziele verfolgen Sie bei der Nutzung? Wie vermeiden Sie mögliche Risiken (Datensicherheit & -schutz, Kosten etc.)?
Popp: Der Freistaat Sachsen wirkt bei der Entwicklung der Deutschen Verwaltungscloud mit und verfolgt die Multicloud-Strategie des IT-Planungsrates. Wir sind davon überzeugt, dass eine Standardisierung und Vernetzung der öffentlichen Verwaltungen sowie die Nutzung der Angebote unterschiedlicher Cloud-Anbieter einen Beitrag leisten, um digital souveräner agieren zu können.
Cloudbasierte Angebote, insb. Software-as-a-Service (SaaS) sind bereits in der täglichen Arbeit im Einsatz und werden künftig einen höheren Stellenwert einnehmen. Auch die meisten EfA-Dienste sind cloudbasierte SaaS-Dienste. Dazu gehören z.B. BaföG und die Genehmigung zur Ausfuhr von Kulturgütern, die bereits produktiv genutzt werden. Die Verfahren der Berufsanerkennung und die digitale Bauverwaltung werden derzeit erarbeitet. Die Anbindung an das Wirtschafts- und Serviceportal NRW, für die wir gerade die Nachnutzungsvereinbarung unterzeichnet haben, und die Sozialplattform werden dutzende weitere Verwaltungsleistungen aus anderen Bundesländern als SaaS-Dienste nach Sachsen bringen.
VdZ: Wie gut ist Ihre Cyberabwehr vor dem Hintergrund des Hacker-Angriffs in Teilen NRWs Ende des vergangenen Jahres?
Popp: Ohne Sicherheit ist alles Nichts in der Digitalisierung. Ich denke, Informationssicherheit ist ein wesentlicher Baustein für eine erfolgreiche Digitalisierung.
Wir dürfen in Deutschland nicht nachlassen, uns als Staat gegen Cyberangriffe besser zu schützen. Das betrifft sowohl die Staatsverwaltung als auch die Landkreise und Kommunen.
Der Angriff auf den kommunalen IT-Dienstleister in NRW und die vielen weiteren Angriffe insbesondere auf Kommunen machen uns deutlich, dass wir in Deutschland nicht nachlassen dürfen, uns als Staat gegen Cyberangriffe besser zu schützen. Das betrifft sowohl die Staatsverwaltung als auch die Landkreise und Kommunen. In Sachsen unterstützen wir unsere Kommunen und unsere eigenen Behörden sowohl in der Prävention, Detektion als auch Reaktion. Wir bieten konkrete Sicherheits-Services über unser Notfallteam SAX.CERT an. Dazu gehören zum Beispiel ein Warn- und Informationsdienst, ein regelmäßiger Webseitenscan oder der Erkennungsdienst für digitale Einbrüche „HoneySens”. Daneben haben wir eine zwischen Landes- und Kommunalverwaltung gekoppelte Netzinfrastruktur mit Sächsischem Verwaltungsnetz und kommunalem Datennetz, die mit den gleichen technischen Schutzsystemen ausgestattet sind. Diese entwickeln wir ständig weiter. Dabei werden die Kernkomponenten des Netzes permanent auf Anomalien überwacht. Davon profitiert die Sicherheit aller.
VdZ: Eine letzte Frage Professor Popp. Welche Rolle spielt KI bislang in der sächsischen Verwaltung? Wie soll sich das bis 2030 entwickeln?
Popp: Im Jahr 2021 haben wir im Freistaat eine KI-Strategie verabschiedet. Wir verstehen KI als einen wichtigen Baustein auf dem Weg in die digitale Zukunft und wollen die Entwicklungen von Künstlicher Intelligenz in Sachsen vorantreiben. Das ist ein Zusammenspiel von Forschung, Entwicklung, Infrastruktur, Aus- und Weiterbildung und der Einsatz in Unternehmen und Verwaltung.
In der Verwaltung stehen wir vor der Herausforderung, unsere Leistungen nicht nur digital anzubieten, sondern aufgrund des Fachkräftemangels künftig auch mit weniger Personal zu bewältigen. Künstliche Intelligenz kann und wird uns dabei unterstützen. Derzeit erproben wir vereinzelt verschiedene Verfahren zum automatisierten Verfassen von Vermerken. Im nächsten Jahr wollen wir eine KI-Unterstützung des Support-Tickets im Servicedesk des zentralen IT-Dienstleisters Sächsische Informatik Dienste einführen, die bei der Bearbeitung hilft. Wir wollen offen sein für die Chancen, die uns KI bietet und sie in der Verwaltung verantwortungsbewusst einsetzen.